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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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werden.
    Monate vergingen. Ich behielt meinen Job. Ich war Trish nach wie vor direkt unterstellt (niemand in der Firma durfte selbstständig mit Aktien handeln, bevor er nicht mindestens ein halbes Jahr dabei war), aber ihre Beschimpfungen schienen nur noch ein Viertel unserer gemeinsamen Arbeitszeit auszumachen, woraus ich schloss, dass ich Fortschritte machte.
    Alle zwei Monate telefonierte ich mit meiner Mutter. Nachdem sie anfangs schockiert über meinen Berufswechsel gewesen war (»In der Finanzwelt habe ich dich wirklich zuletzt gesehen«), meinte sie, es könne schließlich nicht schaden, ›gutes Geld‹ zu verdienen … »und ich weiß, dass dein Vater sehr stolz auf dich ist«.
    »Oh, hast du in letzter Zeit von ihm gehört?«
    »Nein. Und du?«
    »Schon seit Monaten nicht mehr.«
    »Vielleicht ist er irgendwo auf einer längeren Geschäftsreise«, sagte Mom.
    »Vielleicht«, sagte ich, da ich sie nicht beunruhigen wollte, es aber auch nicht besser wusste.
    Doch das sollte sich schon zwei Tage später ändern. Es war am frühen Nachmittag, und ich versuchte, das Finanzinstrument Derivate zu begreifen. Da klingelte auf meinem Schreibtisch das Telefon. Brad war dran. Ich verspannte mich sofort, da Brad mich niemals anrief.
    »Würden Sie bitte umgehend in den Besprechungsraum kommen.«
    Die Leitung war tot. Ich stand auf und eilte den langen Flur zum Konferenzraum hinunter. Ich klopfte an die Tür und hörte, wie Brad mich bat, hereinzukommen. Als ich den Raum betrat, fiel mir als Erstes Brads angespannte Miene auf. Ein Unbehagen, gemischt mit echter Wut, das mir entgegenschlug, sobald ich in sein Blickfeld trat. Neben Brad saßen zwei Männer am Konferenztisch – einer war untersetzt, der andere dünn. Nichtssagende Gesichter, schlecht sitzende Anzüge, hartgesottene Mienen. Beide musterten mich mit kühlem, professionellem Interesse. Vor ihnen lagen aufgeschlagene Dossiers. Unter den auf dem Tisch ausgebreiteten Unterlagen erkannte ich eine Akte mit dem Foto meines Vaters, das an die linke obere Ecke geheftet war.
    »Das sind Agent Ames vom FBI «, sagte Brad und zeigte auf den dünnen Mann, »und Mr Fletcher, ein Ermittler von der Börsenaufsichtsbehörde. Die Herren haben mir in der letzten halben Stunde jede Menge Fragen über Sie gestellt. Denn so, wie es aussieht, haben Sie Ihrem Vater geholfen, sich der Justiz zu entziehen.«
    »Ich habe was?«, fragte ich.
    »Sie haben ihm 10 000 Dollar überwiesen«, sagte Agent Ames, »und ihm damit die Flucht ermöglicht.«
    »Was hat er getan?«, fragte ich.
    Mr Fletcher bat mich, Platz zu nehmen.
    »Jede Menge«, sagte er.
    3
    In der nächsten Stunde erfuhr ich sehr viel über meinen Vater. Ich erfuhr, dass er in den letzten fünf Jahren von einer kleinen Pension gelebt hatte, die ihm das Regime von Augusto Pinochet eingeräumt hatte. Warum ihm die Kohorten des chilenischen Diktators einen Gegenwert von 10 000 Dollar im Jahr zukommen ließen?
    »Nun, damals in den Siebzigern vor dem Putsch«, so Agent Ames, »genoss Ihr Vater in streng konservativen Kreisen Chiles hohes Ansehen: bei Industriekapitänen, Kollegen aus dem Bergbau, beim Militär. Das lag daran – und ich darf das jetzt erwähnen, weil die Information freigegeben wurde –, dass er für die CIA arbeitete …«
    »Mein Vater war ein Spion?«, sagte ich, viel zu geschockt und viel zu laut.
    »Bei der CIA sagen wir ›Agent‹, zumal er anfangs noch kein bezahlter Agent der CIA war. Sie wissen bestimmt noch, dass Ihr Vater die Mine in Iquique gründete …«
    »Das war vor meiner Geburt.«
    »Nun, Ihre Mutter hat Ihnen bestimmt erzählt, dass er damals unterwegs war.«
    »Mein Vater war immer unterwegs, ständig.«
    »Wie Sie vielleicht wissen – auch wenn Sie sich nur ungefähr mit chilenischer Geschichte auskennen –, verstaatlichte die Regierung Salvador Allendes die Kupferminen 1969, darunter auch die Ihres Vaters. Damals kontaktierte ihn die CIA , die wusste, dass er nach wie vor Geschäfte in Chile machte. Sie bat ihn, Informationen über alle zu liefern, mit denen er in diesem Land zu tun hatte, da er persönliche Kontakte zur Allende-Regierung besaß. Die hatte ihn angestellt, damit er noch zwei Jahre als Consultant blieb und ihnen erklärte, wie man diese Mine leitet.
    Wie Sie sich vorstellen können, war Ihr Vater ein wichtiger Mann für die CIA . Er kannte jeden im Kabinett Allendes und galt als ›guter‹ Gringo. 1972 kehrte er für einen längeren Zeitraum in die Vereinigten Staaten

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