Aus der Welt
zurück. Seine Tarnung war aufgeflogen, als irgendwelche Typen von der Geheimpolizei einen chilenischen Agenten folterten, den sie bei dem Versuch ertappten, streng geheime Dokumente über sowjetische Pläne für Militäreinrichtungen zu fotografieren. Ihr Vater schaffte es gerade noch zum Flughafen von Santiago und konnte mit dem letzten Flugzeug das Land verlassen, bevor Allendes Handlanger seine Wohnung auf den Kopf stellten.
Seine damalige Geliebte – eine gewisse Isabelle Ferñandez – war die Tochter von Allendes Minenminister. Sie berichtete auch über ihn an Allendes Geheimpolizei. Nach Pinochets Putsch floh ihr Vater nach Ostdeutschland. Kein besonders attraktives Ziel, aber ein Weg, den »Selbstmord« zu vermeiden – ein Schicksal, das Allende und viele seiner Gefährten ereilte. Senorita Ferñandez nahm ein anderes Ende. Obwohl es keine Beweise dafür gibt, nehmen wir an, dass es ihr erging wie damals Tausenden von desparacidos . Sie wurde mit einem Dutzend anderer Gefangener und schwer bewaffneten Soldaten in ein Flugzeug gepfercht. Das Flugzeug hob ab und nahm Kurs auf den Pazifik. Über dem Meer öffneten die Soldaten eine Luke und warfen systematisch einen Gefangenen nach dem anderen hinaus – aus einer Höhe von ungefähr 900 Metern. Wenn man bedenkt, dass sie eine gute Flugstunde von Santiago entfernt waren, standen die Chancen gleich null, dass eine Leiche ans Ufer gespült wurde. So gesehen gab es keinerlei Beweise für irgendwelche Rechtsverstöße vonseiten der Junta. Dissidenten wurden verhaftet, gesammelt, und dann – platsch! – verschwanden sie einfach.
Das alles kam erst in den letzten Jahren heraus, als Chiles neuer sozialistischer Präsident anordnete, die alten Akten zu öffnen – das heißt diejenigen, die noch nicht im Reißwolf verschwunden waren. Man hat lange gebraucht, den ganzen Schmutz ans Tageslicht zu bringen, aber vor etwa drei Wochen entdeckten sie ein interessantes Fünkchen Wahrheit: Nämlich, dass Ihr Vater als Informant für das Pinochet-Regime gearbeitet hat.«
»Mit ›Informant‹ meinen Sie …«
»Meine ich genau das, was das Wort ›Informant‹ bedeutet. In den ersten Wochen nach dem Putsch kehrte Ihr Vater nach Chile zurück und bot dem Pinochet-Regime seine Dienste an. Sie nahmen ihn sofort als Consultat für die Re-Privatisierung der Bergbauindustrie. Aber sie fragten ihn auch nach Namen: nach Namen von Leuten, die er als Berater von Allende und Konsorten kennengelernt hatte. Aus den Dokumenten, die vor wenigen Monaten entdeckt wurden, ging hervor, dass Ihr Vater bereitwillig Auskunft über Leute gab, die er als Linke, Dissidenten und/oder potenzielle Unruhestifter kannte. Unter anderem auch über seine ehemalige Geliebte, Isabelle Ferñandez.«
»Ich kann das nicht glauben.«
»Sie dürfen uns ruhig glauben, Miss Howard. Ihr Vater bekam nicht nur 5000 Dollar für jeden Feind, den er nannte, sondern auch diesen Consultant-Job, den er zehn Jahre innehatte und aus dem er auch die vorhin genannte Pension bezog. Er leierte sogar eine Wohnung aus der Junta heraus.«
Ich starrte auf den Tisch und schwieg.
»Ihrem Schweigen entnehme ich, dass das alles neu für Sie ist«, sagte Ames.
»Natürlich ist das neu für mich. Wenn ich gewusst hätte …«
»Hätten Sie ihm nie zur Flucht verholfen?«
»Wie ich bereits sagte: Ich wusste nichts von einer Flucht.«
»Was hat er Ihnen genau gesagt?«
Ich gab unsere ganze Unterhaltung über den Kredithai, dem er Geld schuldete, wieder; außerdem erwähnte ich seine angebliche Aussicht auf einen Job bei Creighton Crowley. Als ich diesen Namen erwähnte, sah Mr Fletcher von den Unterlagen auf, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Hatten Sie vorher schon mal von diesem Creighton Crowley gehört?«, fragte er.
»Noch nie im Leben – obwohl ich meinem Dad sagte, dass die Bitte, 50 000 Dollar in diese Dotcom-Firma zu investieren …«
»Ja, wir kennen Creighton Crowley und seine Dotcom-Betrügereien. Und wir wissen auch, dass Ihr Vater an seinen Machenschaften beteiligt war …«
»Inwiefern?«
»Er hat zwölf sehr dummen Leuten, die es eigentlich besser hätten wissen müssen, Anteile an dieser Firma verkauft. Aktienpakete im Wert von 50- bis 100 000 Dollar. Ihr Vater kassierte 20 Prozent von jedem Verkauf.«
»Warum hat er mich dann um Geld angebettelt?«
»Wir gehen davon aus, dass sein Nettogewinn bei etwa 100 000 Dollar lag«, sagte Fletcher. »Davon hat er etwa drei Jahre lang gelebt. Wenn man den Betrag
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