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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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kaufen (Gibt es so eine Farbe überhaupt? Und wenn ja, wird sie von Deutschen hergestellt?) und sich noch eine Klimaanlage zu gönnen.
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, meinte Mom, als wir in ihrem neuen Auto davonfuhren.
    »Am besten gar nichts. Du brauchst – verdienst – ein gutes, zuverlässiges Auto.«
    »Verdienst du im Finanzsektor wirklich so viel Geld?«
    »Sonst würde ich es nicht einfach so ausgeben, Mom.«
    »Dein Vater wäre stolz auf dich.«
    Ich schwieg.
    »Stimmt irgendwas nicht, Liebes?«, fragte sie.
    »Nein, alles in bester Ordnung.«
    »Hast du in letzter Zeit mal was von Dad gehört?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann muss er unheimlich viel zu tun haben.«
    »Bestimmt«, sagte ich und würgte das Thema damit ab.
    Später rief ich eine Heizungsfirma an. Der Heizungsbauer hatte nicht viel zu tun und schaute vorbei. Wieder machte meine Mutter ein Riesentheater und behauptete, eine perfekt funktionierende Heizung zu besitzen. Wieder wurde sie von einem gewieften Geschäftsmann beruhigt, der ihr (nach einer stundenlangen Besichtigung der bestehenden Anlage) erzählte, dass diese kurz davorstünde, zu implodieren. Wenn man sie nicht gleich nächste Woche austauschte, würden garantiert sämtliche Rohre brechen und noch andere Katastrophen geschehen.
    »Wie viel wird das voraussichtlich kosten?«, wollte ich wissen.
    »Ich kann Ihnen nur eine ungefähre Hausnummer nennen«, sagte er.
    »Und wie lautet diese Hausnummer?«
    »Etwa zehntausend.«
    »Das ist ja unverschämt!«, sagte meine Mutter.
    »Nein«, erwiderte der Heizungsbauer. »Das kostet so viel.«
    Ich bat ihn, mich nach dem Wochenende auf dem Handy anzurufen und mir ein konkretes Angebot zu machen – und sagte auch, dass ich ihm 8000 Dollar zahlen würde, wenn er schon am Dienstag mit der Arbeit beginnen würde. Als er mich am Montagmorgen anrief, meinte er, er würde es für 9000 einschließlich Mehrwertsteuer machen, wenn ich ihm die Hälfte gleich am nächsten Tag geben könnte.
    »Kein Problem«, sagte ich und ließ von meiner Bank noch am selben Nachmittag 4500 Dollar auf sein Konto überweisen. Gleichzeitig überwies ich 10 000 auf Moms Girokonto. Als sie das Geld bekam, war ich bereits wieder in Cambridge. Mom rief mich an und war in heller Aufregung.
    »Was hast du dir nur dabei gedacht?«, sagte sie.
    »Ich will nur, dass du genügend Geld hast, um anständig zu leben.«
    »Ich habe dir bereits gesagt, dass ich prima klarkomme.«
    Weshalb du dich in den letzten Jahren auch hauptsächlich von Konserven ernährt hast.
    »Mom, ich habe das Geld nun mal.«
    »Du kannst mich nicht kaufen. Dasselbe hat dein Vater auch immer gesagt: Man kann sich die Zuneigung eines Menschen einfach nicht erkaufen.«
    Ich legte auf, trat einen Papierkorb durchs ganze Zimmer und schlug die Hände vors Gesicht, um an nichts mehr denken zu müssen, was mit meinen Eltern zu tun hatte.
    Mom rief drei Minuten später zurück.
    »Wurde die Verbindung unterbrochen?«, fragte sie.
    »Nein, ich habe aufgelegt.«
    »Oh«, meinte sie, »habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Lass uns nächste Woche telefonieren, Mom.«
    »Du solltest meine Worte nicht so auf die Goldwaage legen, Jane.«
    Aber das tue ich nun mal. Weil du ganz genau meinst, was du sagst.
    Ich kehrte in die Harvard-Bibliothek zurück und vertiefte mich wieder in mein Buch. Einige Wochen später – um 22:47 Uhr an einem Freitag – tippte ich den letzten Satz. Ich lehnte mich in meinem Schreibtischstuhl zurück und wurde von jener Mischung aus Euphorie und Depression überfallen, die jeder Autor erlebt, wenn er das letzte Wort geschrieben hat; in dem Wissen, dass mit der Niederschrift des letzten Wortes die eigentliche Arbeit erst anfängt. Aber dann kam ein Aufseher, der mich darauf hinwies, dass die Bibliothek in wenigen Minuten schließen würde. Ob ich bitte zusammenpacken und das Gebäude verlassen könnte? Ich verstaute meine Sachen in mehreren Rucksäcken und verließ das Harvard-Gelände, wobei ich verzweifelt versuchte, nichts fallen zu lassen. Als ich die Straße erreichte und ein Taxi rief, dachte ich: Ich werde nie mehr im Leben ein zweites Buch fertigstellen, ganz einfach, weil ich nie mehr ein Buch schreiben möchte.
    Als ich nach Hause kam, machte ich eine Flasche Rotwein auf und druckte das Manuskript aus. Gegen ein Uhr mor gens – ich hatte fast die ganze Flasche Fusel intus – bekam ich einen sentimentalen Anfall und dachte: Ich

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