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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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aus seiner Jacketttasche zog. Ich rechnete nicht ernsthaft mit seinem Anruf. Aber er überraschte mich und meldete sich am Montag darauf.
    »Ich hoffe sehr, dass dir Howard Hawks gefällt.«
    Mit diesen Worten lud er mich für den nächsten Abend ins Brattle in Cambridge ein, wo der Film S.O.S. Feuer an Bord gezeigt wurde. Anschließend gingen wir eine Pizza essen – und begannen mit dem typischen Kennenlernritual, uns unser Leben zu erzählen. Auf diese Weise erfuhr ich von seiner nicht sehr glücklichen Kindheit in Indianapolis und er von meiner nicht sehr glücklichen Kindheit in Connecticut. Als ich erwähnte, dass mein Vater gerade auf der Flucht vor dem Gesetz sei, riss er förmlich die Augen auf.
    »Das hat ja echt Stil«, meinte er.
    »So habe ich das noch nie betrachtet«, sagte ich etwas zurückhaltend.
    »Ach komm schon«, sagte er. »Ein Vater auf der Flucht! Du solltest einen Roman darüber schreiben, statt mir davon zu erzählen. Das ist doch ein unglaublicher Stoff – zumal du ihn im Moment bestimmt nicht mehr ganz doll lieb hast.«
    »Meine Mutter hat das immer gesagt. ›Sich ganz doll lieb haben‹.«
    »Aber im Gegensatz zu mir hat sie es bestimmt nicht ironisch gemeint.«
    Am Wochenende trafen wir uns erneut – es gab ein Double Feature mit Humphrey Bogart, Die Spur des Falken und Entscheidung in der Sierra , danach aßen wir in einer billigen Hamburger-Bude. Bei der dritten Verabredung – zwei Schwafelfilme von Rohmer und ein billiger Chinese, bei dem man trotzdem recht ordentlich essen konnte – lud er mich in seine Wohnung ein. Ich kam, ohne zu zögern, mit hoch.
    Natürlich war ich nervös. Dasselbe galt für Theo.
    Als er schließlich den ersten Annäherungsversuch machte, reagierten wir beide mit einer Leidenschaft, die uns überraschte.
    Anschließend legte er eine Miles-Davis-Platte auf – die ideale Musik danach. Er holte eine anständige Flasche Wein und gestand mir, dass er sich ernsthaft in mich verliebt hätte:
    »Ich weiß, dass ich eigentlich etwas anderes sagen und den Abweisenden, Spröden geben sollte. So nach dem Motto: ›Komm mir bloß nicht zu nahe‹. Aber ich habe nicht vor, eine Rolle zu spielen, die ich gar nicht spielen will. Ich will ganz offen zu dir sein, Jane: Du bist fantastisch – und ich bin ein scharfer Kritiker.«
    Wenn man ein Bedürfnis hat, stillt man es. Theo Morgan erfüllte genau diesen Zweck – und seine Liebeserklärung stieß mich nicht ab. Im Gegenteil, ich war bereit, mich neu zu verlieben, meine Isolation und selbst gewählte Einsamkeit aufzugeben, in die ich mich nach Davids Tod zurückgezogen hatte. Jahrelang konnte ich mir die Umarmung eines anderen Mannes nicht einmal vorstellen. Ich hatte in dieser Fakultät völlig die Rollläden runtergelassen (nicht, dass sich die Männer dort um mich gerissen hätten). Aber hier war ein Mann, der außergewöhnlich und anders war und sich so wohl in seiner ungewöhnlichen Haut zu fühlen schien. Ich liebte seine geistreiche Art, seine Verschrobenheit und die Fähigkeit, über alles Witze zu reißen – sei es nun über George Bushs miserablen Umgang mit der englischen Sprache, über einen Avantgarde-Jazzer aus den 1950er-Jahren namens Jimmy Giuffre oder über Joseph Stricks Joyce-Verfilmungen (die er sehr verehrte). Aber auch über einen vergessenen Krimiautor aus Miami namens Charles Willeford, den Theo auf eine Stufe mit Chandler stellte.
    Sein Interessengebiet war riesig. Ich spürte, dass er diese Leidenschaften einfach brauchte, um eine abgrundtiefe Einsamkeit zu kompensieren. Ein paar Wochen nachdem wir ein Paar geworden waren, gab er zu, schon seit Jahren keine Freundin mehr gehabt zu haben. Und dass die große Liebe seines Lebens – eine Performance-Künstlerin namens Constance van der Plante – ihn brutal hatte fallen lassen, nachdem er seinen Job in New York losgeworden war.
    »Stell dir vor, ich wäre beinahe gar nicht zu Saras Abendessen gekommen«, sagte er. »Zum Glück bin ich doch hingegangen.«
    Sara war mehr als überrascht, als ich ihr erzählte, jetzt mit Theo zusammen zu sein.
    »Das war eigentlich nicht meine Absicht, als ich euch nebeneinander platziert habe.«
    »Jetzt kling doch nicht so schockiert. Er ist großartig.«
    »Natürlich ist er das«, sagte sie, allerdings wenig überzeugt. »Es ist nur so, Jane, dass ich bei euch nicht an Liebe auf den ersten Blick geglaubt hätte.«
    »Das Leben ist voller Überraschungen.«
    »Du klingst glücklich.«
    »Und du klingst

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