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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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aussehend war, schmeichelte mir sein Interesse an allem, was ich tat. Seit David hatte ich ständig davon geträumt, noch einmal einen echten Intellektuellen kennenzulernen. Insofern störte es mich nicht besonders, dass sich Theo hauptsächlich von Fast Food ernährte, kaum Vitamine zu sich nahm und darauf bestand, sich noch einen Film anzusehen, nachdem wir uns geliebt hatten … Mit ihm wurde es einem nie langweilig.
    Für jemanden, der sich so wenig um sein Aussehen kümmerte, war er in anderen Dingen erstaunlich pingelig. Er war regelrecht fanatisch, wenn es um den Gebrauch von Zahnseide ging, und duschte mindestens dreimal am Tag. Seine Wohnung in Cambridge war klein – 28 Quadratmeter –, aber erstaunlich aufgeräumt. Die Hunderte von Filmen, die die Regale dominierten, waren alphabetisch einsortiert, es gab sogar Trennstützen wie in der Bücherei. Sein Bett war stets tipptopp gemacht, und er bestand darauf, jeden Tag ein neues, frisch gebügeltes T-Shirt anzuziehen. Auch seine schwarze Jeans wies eine perfekte Bügelfalte auf, genauso wie seine Boxershorts, die er bei Brooks Brothers kaufte. Auch das war typisch Theo, nämlich dass er bestimmte Markenvorlieben hatte, von denen er niemals abwich. Seine schwarzen T-Shirts stammten von GAP, und einmal im Jahr, erzählte er mir, mietete er ein Auto und fuhr die zweieinhalb Stunden bis Freeport, Maine, wo es einen GAP-Outlet gab. Dort kaufte er dreißig schwarze T-Shirts in »large« für fünf Dollar das Stück und ging dann ins Brooks-Brothers-Outlet im selben Ort, um sich achtzehn Boxershorts für 155 Dollar zu kaufen – er kannte sich ganz genau mit Preisen aus. Am Schluss ging er ins Levi’s-Outlet und erstand achtzehn schwarze 501 für 25 Dollar das Stück. Nachdem er seine Einkäufe erledigt hatte, fuhr er nach Norden in den Ort Wiscasset, um an seiner Lieblings-Imbissbude namens Red’s ein Hummersandwich und eine Kräuterlimo zu sich zu nehmen. Er setzte sich an einen Tisch mit Blick auf die Bucht, bewunderte das Panorama von Maine, wo es am schönsten war, aß sein Hummersandwich, trank seine Limo und fuhr dann zurück nach Boston, wo er am selben Abend bei sich zu Hause noch mindestens drei Filme anschaute.
    »Damit sind meine Klamottenkäufe und mein Bedürfnis nach Naturerlebnissen für ein Jahr abgehakt.«
    Ich weiß, das klingt etwas merkwürdig – zumal er den Rest des Jahres tatsächlich nicht das Geringste zum Anziehen kaufte und sämtliche Versuche von meiner Seite abwehrte, das Wochenende irgendwo außerhalb von Boston zu verbringen, wo es kein Kino gab. Aber seine Schrullen waren irgendwie liebenswert, und es gefiel mir auch, dass er sich weigerte, den ganzen Konsumterror mitzumachen, der so prägend für unsere heutige Zeit ist. Er bekam seine DVD s gratis von den vielen Verleihern, die er kannte. Die Bücher, die er brauchte, bestellte er bei Verlagen oder in Bibliotheken. Er wusch selbst, putzte selbst und kochte selbst – wobei er sich hauptsächlich von Frühstücksflocken, Tiefkühllasagne, Tütensuppen und Ben-and-Jerry’s-Eiscreme ernährte. Und wenn er am nächsten Tag gegen Mittag aufstand, schrieb er erst einmal zwei Stunden am Stück, bevor er seinen Job im Harvard Film-Archiv antrat.
    Theo war in Cambridge gelandet, nachdem man ihn bei den Anthology Film Archives entlassen hatte, da er es nicht geschafft hatte, das Budget einzuhalten, ja er hatte ein Jahresdefizit von 200 000 Dollar angehäuft. Einer seiner alten Filmkumpanen, Ronnie Black, hatte einen Job als Leiter des Harvard Archive and Cinema bekommen und suchte jetzt nach einem Stellvertreter. »Du bist der beste Programmmacher diesseits von Paris«, sagte ihm Ronnie, »aber dafür gnadenlos verschwenderisch. Ich mache dir folgendes Angebot: Du bekommst den Job unter der Voraussetzung, dass du keinen Penny ausgibst, den ich nicht genehmigt habe. Wenn du versuchst, mich diesbezüglich auszutricksen, werfe ich dich sofort raus, und deine Karriere ist beendet. Aber wenn du dich an die Regeln hältst, bestimmen wir in Cambridge das Programm und machen in Harvard, was wir wollen … selbstverständlich im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten.«
    Ich lernte Theo bei einem Abendessen kennen, zu dem eine alte Freundin aus Harvard, Sara Crowe, eingeladen hatte. Sie war die typische Neuengländerin mit einem dieser schmalen Engelsgesichter und erinnerte mich an die grandes dames aus Massachusetts, wie sie Whistler porträtierte. Sie hatte eine gewisse asketische Haltung à

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