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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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ich beschwerte mich nicht. Wenn ich einen besonders unangenehmen Tag an der Uni hatte – oder unter einem der Stimmungstiefs litt, die mich manchmal überfielen –, begriff er instinktiv, wie er mit mir umgehen musste: Er war aufmerksam, aber nie erdrückend. Es ist gar nicht so einfach zu wissen, wann man jemanden in Ruhe lassen muss, aber wir beide schienen das ganz gut zu beherrschen. Wenn er nicht da war, vermisste ich ihn aufrichtig. Außerdem gefiel mir, dass wir nicht tagein, tagaus aufeinanderhockten.
    Acht Monate vergingen. Eines Nachmittags kam ich nach Hause und fand ein Paket von Sony vor der Tür vor. Der Paketfahrer kam auf mich zu, als ich gerade die Stufen zu meiner Haustür hochging, und fragte, ob ich Jane Howard sei. Er wolle nämlich einen Plasma-Fernseher mit einer Bilddiagonalen von 107 cm an mich ausliefern. Als ich sagte: »Das muss ein Missverständnis sein«, zeigte er mir den Bestellschein – auf dem in ordentlichen Druckbuchstaben Theos Name stand.
    »Ich möchte gar keinen so großen Fernseher«, sagte ich.
    »Nun, das hätten Sie dem Typen sagen müssen, der ihn für Sie bestellt hat.«
    Ich bat den Mann, fünf Minuten auf mich zu warten, während ich nach oben rannte und Theo im Harvard Film Archive anrief.
    »Bist du wahnsinnig?«, fragte ich ihn.
    »Ich dachte, du kennst die Antwort auf diese Frage.«
    »Wofür brauchst du einen so riesigen Fernseher?«
    »Ich dachte, wir brauchen einen.«
    Wir. Das war das erste Mal, dass er die erste Person Plural benutzte, um von uns zu sprechen.
    »Auf deinem winzigen Apparat Filme anzuschauen, ist das reinste Sakrileg. Deshalb …«
    »Du hättest mich zuerst fragen sollen.«
    »Aber dann wäre es keine Überraschung mehr gewesen, und es sollte doch eine Überraschung sein.«
    »Kostet so ein Fernseher nicht ein Vermögen?«
    »Ist das noch mein Problem oder nicht vielmehr unseres?«
    Wieder verwendete er den Plural. Wollte er damit andeuten, dass er bei mir einzog?
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll …«
    »Am besten gar nichts. Wart’s ab, bis ich heute Abend mit einer neuen DVD -Pressung von Pressburgers und Powells Irrtum im Jenseits nach Hause komme. Du wirst staunen über die halluzinogene Wirkung des frühen Technicolor …«
    Theo hatte recht: Der Fernseher passte in die Ecke neben dem Kamin – und Pressburgers und Powells expressionistischer Film über den Krieg und die Zeit danach wirkte in der Tat bestechend auf so einem absurd breiten Bildschirm.
    »Ich wusste, dass du ihn lieben würdest«, sagte Theo.
    »Aber bitte überrasche mich in Zukunft nicht mehr mit solch großen Anschaffungen.«
    »Aber ich überrasche dich gern. Außerdem wissen wir doch beide, dass du viel zu vernünftig und praktisch veranlagt bist, um dir mal was zu gönnen.«
    Autsch, das tat weh! Aber er sagte nur die Wahrheit. Ich dachte über jede kleine Ausgabe sorgfältig nach und kaufte mir nur etwas, wenn es keine Verschwendung war und nicht aus einer Laune heraus geschah. Theo sah mir zu, wie ich in Geschäften Kleider anprobierte und sie dann zurückgehen ließ, angeblich weil sie »zu teuer« seien (obwohl sie nur von GAP waren). Oder weil ich schon etwas Ähnliches im Schrank hätte (meine Begründung dafür, dass ich sie nicht brauchte).
    »Aber du hast keine anständige Lederjacke«, sagte er, als ich in einem Geschäft in der Newbury Street ein Modell entdeckte, das mir gefiel.
    »Ich kann auch ohne leben.«
    »Aber du siehst cool darin aus.«
    »Die kostet beinahe 400 Dollar.«
    »Gönn sie dir!«
    »Ich fühle mich nicht wohl dabei.«
    »Was du nicht sagst! Doch du solltest lernen, dich ein wenig mehr zu verwöhnen. Das Leben ist viel zu kurz. Und du musst der Welt nicht mehr beweisen, dass du nicht so bist wie dein Trickbetrüger-Dad.«
    »Erinner mich daran, dass ich dir nie mehr ein Geheimnis verrate.«
    »Das dürfte wohl kaum ein Geheimnis sein, wenn das FBI davon weiß. Wie dem auch sei, ich bitte dich nur, etwas lockerer zu werden.«
    »Ich kann einfach nicht sorglos mit Geld umgehen«, sagte ich. »Ich wünschte, ich könnte es, aber ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass alles seinen Preis hat.«
    »Du solltest über Puritanismus schreiben, nicht unsere grande dame Sara.«
    »Aber das tue ich doch auch. Die Naturalisten waren genauso von dem puritanischen Thema der Schuld besessen wie Hawthorden. Wenn auch mehr unter dem Aspekt unserer turbokapitalistischen Zwänge. Geld, Gott und Schuld: das große amerikanische Dreigestirn.

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