Aus der Welt
Und keiner von uns ist wirklich frei davon.«
Trotzdem kaufte ich die Lederjacke und beschwerte mich nicht mehr über den extravaganten Fernseher, der jetzt eine Ecke meines Wohnzimmers dominierte. Ich maulte auch nicht, als er vorschlug, eine Woche in dem »lässigen kleinen Retro-Hotel« in South Beach zu verbringen, und zwar ›auf meine Kasse‹.«
»Du hast eine Kasse in Miami?«, fragte ich.
»Das ist nur so eine Redensart.«
»Kannst du dir wirklich eine Woche leisten?«
»Hör endlich auf, so verdammt vorsichtig zu sein! Wenn ich sage, dass ich mir eine Woche leisten kann, dann kann ich mir eine Woche leisten.«
»Ich hätte nämlich nichts dagegen, die Hälfte zu zahlen.«
»Danke, dass du mein romantisches Angebot von jeglicher Romantik befreist.«
»Das wollte ich nicht. Ich wollte nur – na gut, ich bekenne mich schuldig – vorsichtig sein.«
Aber an unserem zweiten Abend in Miami tat ich etwas vollkommen Unvorsichtiges. Nachdem wir viel zu viele Margaritas in irgendeiner mexikanischen Spelunke unweit der Lincoln Road getrunken hatten, kehrten wir in unser Art-déco-Zimmer in unserem Art-déco-Hotel zurück und gaben uns sehr betrunken der Liebe hin. Als ich nach dieser Nacht ins Bad wankte und die Auswirkungen des Tequilas im Spiegel sah, fiel es mir siedend heiß ein: Ich hatte vergessen, mein Diaphragma einzusetzen, bevor wir aufs Bett gefallen waren.
Ich rechnete an den Fingern rückwärts und stellte mit wachsender Beunruhigung fest, dass ich mich drei Tage vor der Mitte meines Zyklus befand. Aber wenn ich Theo von meinen Sorgen erzählte, würden sie nur den Rest unseres Urlaubs unter der Sonne Floridas überschatten. Bestimmt würde alles gut gehen.
Während der restlichen Woche – und nachdem die sechsunddreißig Stunden vorbei waren, in denen man noch die Pille danach nehmen kann – versuchte ich meine Beunruhigung vor Theo zu verbergen. Bis auf ein, zwei peinliche Momente, in denen er spürte, dass mich etwas beschäftigte, schaffte ich es, meine Sorgen vor ihm zu verheimlichen.
Zumindest, bis ein Monat um war, meine Regel zwei Wochen überfällig war und ich mich jeden Morgen übergab. Ich ging in die örtliche Apotheke und kaufte einen Schwangerschaftstest. Zu Hause pinkelte ich auf den Teststreifen. Ich stellte ihn in das mitgelieferte Fläschchen, ging in die Küche und kochte Kaffee. Als ich fünf Minuten später zurückkam, sah ich, dass er sich rosa verfärbt hatte (obwohl man eigentlich eine halbe Stunde hätte warten sollen). An jenem folgenschweren – und gänzlich unerwünschten – Punkt in meinem Leben überfiel mich ein völlig banaler Gedanke:
Wer hat eigentlich beschlossen, dass Rosa die Farbe ist, die einem die Mutterschaft signalisiert?
Gefolgt von einer weiteren banalen Überlegung:
Ist das Schicksal?
4
Ungewollt , was für ein furchtbares Wort im Verbindung mit Schwangerschaft . Aber eines wusste ich sofort, als sich der Schwangerschaftstest rosa verfärbte: Ich wollte dieses Baby nicht und konnte mich nicht an den Gedanken gewöhnen, es auszutragen.
Aber wenn ich damals in Miami wirklich nicht schwanger hätte werden wollen, hätte ich mich unter einem Vorwand davonschleichen, mir einen Arzt suchen und die Pille danach nehmen können. Dann hätte ich mir allerdings noch etwas ausdenken müssen, um zu erklären, warum ich zwei Tage lang krank und unberührbar bin. Aber genau das hatte ich nicht getan. Womit sich die Frage stellt: War das Ungewollte etwas, das ich eigentlich wollte ?
»Natürlich wolltest du schwanger werden«, sagte Christy, als ich sie in Oregon anrief und sie um sieben Uhr ihrer Zeit weckte. Das war nicht besonders klug, da sie es hasste, früh aufzustehen. Aber als sie die Angst in meiner Stimme hörte, versuchte sie nicht mehr, mich abzuwimmeln, sondern sagte: »Dann muss es wirklich was Ernstes sein.« Sofort platzte ich mit der Sache heraus, auch damit, dass ich ausgerechnet hatte, wenige Tage vor der Mitte meines Zyklus’ zu sein.
»Du hast dich also tatsächlich auf Knaus-Ogino verlassen?«
»Es war allein mein Versehen. Ein betrunkenes Versehen. Und dann …«
»Quatsch. Natürlich wolltest du schwanger werden. Und ob du es glaubst oder nicht: Das ist die reine Wahrheit.«
»Und was soll ich jetzt machen?«
»Du bekommst das Baby oder eben nicht.«
»Ich bin noch nicht bereit, Mutter zu werden.«
»Dann such die Adresse der nächsten Abtreibungsklinik heraus und …«
»Das kann ich nicht.«
»Dann steckst du
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