Aus der Welt
wirklich in einem Dilemma. Wovor hast du am meisten Angst? Vor der lebenslangen Verantwortung, dem Verlust deiner Freiheit, davor, für immer an Theo gekettet zu sein?«
»Alle drei.«
»Nun, du musst dich nicht heute entscheiden.«
»Aber wenn ich es ihm erst mal gesagt habe, hat er auch noch ein Wörtchen mitzureden.«
»In Anbetracht der Fortpflanzungsmechanik hat er bereits ein Wörtchen mitgeredet … Aber bevor du mit ihm sprichst, solltest du bereits eine Entscheidung gefällt haben.«
Ich hatte nun mal vor langer Zeit beschlossen, keine Kinder zu bekommen. Ein Entschluss, der meiner festen Überzeugung entsprach, dass ein Kind in eine Sackgasse führt. Und da meine Eltern durch meine Geburt in eine ganz ähnliche Falle gegangen waren …
Dann war da noch die Sache mit Theo. Liebte ich ihn? Ich bildete mir ein, ihn zu lieben – so wie auch er mir mehrfach seine Liebe gestanden hatte. Aber unterschwellig hatte ich eine Riesenangst: Konnte ich wirklich mit jemandem eine Familie gründen, der die Nächte durchmachte und ständig einen »Film danach« brauchte? Würde seine Pingeligkeit mir nicht das Gefühl geben, mit einem zwangsgestörten Mann zusammenzuleben, für den das Kino die größte Liebe seines Lebens war?
Andererseits wusste ich, dass Theo, wenn er sich mal für etwas einsetzte (wie für sein riesiges, stetig anwachsendes Buch), ein unheimlich großes Verantwortungsbewusstsein besaß. Und auch, dass er sich seit jenem Tobsuchtsanfall vor mehreren Monaten tadellos benommen hatte und sich sehr bemühte, seine dunkle Seite zu kontrollieren.
Sein Herz saß auf jeden Fall auf dem rechten Fleck. Und ich war »das Beste, was ihm je passiert war«. Ich war »diejenige, die ihm wirklich wichtig« war. Ich machte ihn glücklich. Was lässt sich dagegen schon einwenden?
Aber ich hatte Angst, ihm die Neuigkeit mitzuteilen, weil sie so verdammt viele Fragen aufwarf. Die größte war: Warum hast du mir nicht gesagt, dass was mit der Verhütung nicht geklappt hat? Hätte ich nicht auch ein Recht darauf gehabt, das zu wissen?
Theo nahm es mit erstaunlicher Gelassenheit. »So was passiert eben – vor allem nach fünf Margaritas. Wie dem auch sei, das sind doch tolle Neuigkeiten.«
»Bist du sicher?«, wollte ich wissen.
»Sonst würde ich es auch nicht sagen. Du willst doch ein Kind mit mir, oder etwa nicht?«
»Natürlich, natürlich«, hörte ich mich sagen. Doch noch während diese Worte aus meinem Mund strömten, dachte ich: Das war’s. Du hast dir die Entscheidung abnehmen lassen.
»Aber ist dir auch klar, Theo, dass sich dadurch alles ändern wird?«
»Damit kann ich leben.«
»Nun, das ist ja … toll.«
»Aber kannst du damit leben, Jane?«, fragte er, da ihm mein Zögern nicht entgangen war.
»Es ist … ein großer Schritt.«
»Aber wir werden nicht die Ersten sein, die ihn wagen. Außerdem will ich das Kind. Ein Leben mit dir.«
»Und ich mit dir«, sagte ich, obwohl ich mir da nach wie vor nicht so sicher war. Wie kann man so etwas Endgültiges sagen, wenn man von derartigen Zweifeln gequält wird?
Als ich Christy zurückrief und ihr von Theos Begeisterung, Vater zu werden – und richtig mit mir zu leben –, berichtete, sagte sie: »Genau das wolltest du doch hören, oder? Und allein schon, dass der Typ kein Arschloch ist und dir die gesamte Verantwortung zuschiebt, spricht Bände. Das sind doch wirklich tolle Neuigkeiten.«
»Ich weiß nicht recht.«
»Dann hör auf, so ein Feigling zu sein, und lass eine Abtreibung vornehmen. Du kannst Theo immer noch sagen, dass du eine Fehlgeburt hattest. So was passiert ständig. Ich komme auch gern an die Ostküste und halte währenddessen deine Hand.«
»Das ist eine schwerwiegende Entscheidung.«
»Das stimmt. Aber vergiss nicht das Nächstliegende: Ist das Kind erst mal auf der Welt, ist es auf der Welt.«
Wie George Orwell einst feststellte, steckt in jedem Klischee ein Stück Wahrheit. Und das, was Christy gerade zum Besten gegeben hatte, machte mir klar, dass meine Entscheidung von etwas abhing, mit dem ich in der Literatur ständig zu tun hatte: von Interpretation. Wie bewertet man eine moralische Entscheidung? Schuld ergibt sich ausschließlich aus der Interpretation eines bestimmten Vorfalls. Sie beruht auf der eigenen Perspektive. Inwieweit sind wir bereit, die Realität an unsere eigene Sichtweise anzupassen? Womit können wir leben und womit nicht?
Das war das Entscheidende für mich – die Erkenntnis, dass ich unglaublich
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