Aus Eifersucht kann Liebe werden: Die Heilung eines ungeliebten Gefühls
ausgeliefert, er kann sie nicht steuern, es sei ein wildes Tier, heißt es bei Tolstoi. Tatsächlich ist diese Eifersucht ein Drama. Wie ein Ertrinkender ringt der Eifersüchtige ständig ums Überleben. Er ist dringend auf die Liebe des Partners angewiesen und spürt die Angst, dass diese Liebe verlorengehen könnte. Insofern ist es eine furchtbare Existenzangst. Kaum eine Angst ist so schrecklich wie die Eifersucht. Bei anderen Ängsten kann man oft etwas tun. Doch bei der Eifersucht ist man scheinbar ohnmächtig dem Partner ausgeliefert, den man für unzuverlässig hält. Wer dem Eifersüchtigen helfen will, muss diese Problematik verstehen. Es ist leicht, eifersüchtige Menschen zu kritisieren oder sich gar über sie lustig zu machen. Oftmals übertreiben sie sehr stark, sie beschuldigen den Partner, obgleich sie selbst untreu sind. Doch hilft der erhobene Zeigefinger hier wirklich weiter? Wir müssen uns schon bemühen, auch diese Eifersuchtsregungen zu begreifen. Und das bedeutet, dass wir die Welt mit den Augen eifersüchtiger Menschen sehen müssen. Aber dies gelingt nur, wenn wir auch die Kindheit eifersüchtiger Menschen genauer analysieren. Denn die Auslöser dieser schweren Eifersuchtsproblematik liegen kaum in der Gegenwart, sondern meist in der Kindheit. Und dann fällt auf, dass alle massiv Eifersüchtigen sehr unsichere Bindungen in der Kindheit erlebten.
Die distanzierten Bindungen
Oft waren die Eltern seelisch zu unterkühlt, zu distanziert, so dass sie dem Kind nicht genügend Wärme geben konnten. Der Eifersüchtige ist dann im Leben immer emotional unterzuckert, er machte nie die Erfahrung einer verlässlichen Beziehung. Aber dies ist das wichtigste Bedürfnis unseres Lebens. Wir brauchen Mitmenschen, die uns erkennen, tiefe Bindungen herstellen, denen wir vertrauen können. Und vor allem in der Kindheit sind wir auf Eltern angewiesen, die uns in jeder Weise unterstützen. Denn jedes Kind braucht viel Anerkennung, Aufmerksamkeit, Körperkontakt, und wichtig ist vor allem, dass hierbei eine große Verlässlichkeit besteht. Wenn die Mutter unter extremen Stimmungsschwankungen leidet und der Vater vielleicht Alkoholiker ist, wird die Gefühlszuwendung zum Kind immer sehr schwankend sein. Ein Kind wird nie verstehen, warum es heute geliebt wird und morgen nicht. Es begreift nur, dass die Nähe sehr flüchtig ist und schnell verlorengehen kann.
Die Entthronung
Durch eine Trennung der Eltern oder eine schwere Erkrankung wird die verlässliche Nähe immer bedroht. Doch am dramatischsten ist oft der Verlust an Nähe nach der Geburt eines Geschwisters. Es fällt auf, dass Einzelkinder häufig wesentlich weniger eifersüchtig sind. Sie bekommen mehr stabile Zuwendung, müssen diese nicht mit anderen Geschwistern teilen. Natürlich kann es durchaus von Vorteil sein, mit Geschwistern aufzuwachsen. Man erwirbt eine größere Sozialkompetenz, und Kinder können sich sehr unterstützen, wenn die Beziehung zu den Eltern schwierig ist. Aber wir dürfen nie die Eifersuchtsgefühle unterschätzen, die durch die Geburt eines Geschwisters entstehen. Heute steht man noch im Mittelpunkt, morgen gilt die Sorge der Eltern nur nochdem kleinen Schreihals. Kinder fühlen sich dann oft so sehr vernachlässigt, dass sie wieder zum Kleinkind werden. Sie fangen an zu stören, nässen wieder ein, beschäftigen auf diese Weise die Eltern. Und früher bekamen sie dann oft zu hören, sie sollten vernünftig sein. Die eifersüchtigen Kinder fühlten sich dann noch weniger verstanden und zogen sich zurück. Innerlich jedoch kochten sie vor Wut und hatten mitunter sogar Mordgedanken. Welche mörderischen Affekte diese Geschwisterproblematik in sich tragen kann, zeigt schon die Geschichte von Kain und Abel. Während der Herrgott dem jüngeren Abel wohlgesonnen ist, fühlt sich der ältere Kain abgelehnt. Sie wissen, wie es ausgeht: Kain erschlägt Abel – laut Bibel der erste Mord der Menschheitsgeschichte. Mit Recht war deshalb für Alfred Adler das »Entthronungstrauma« eines der am schwersten belastenden Ereignisse in der Kindheit, das eine Person bis hinein ins Erwachsenenalter prägt.
Die Suche nach einem Hafen
Der massiven Eifersucht liegt fast immer die Vertreibung aus dem »Paradies« zugrunde. Was einmal als schön erinnert wurde, ging plötzlich verloren. Deshalb suchen eifersüchtige Menschen in ihrem ganzen Leben einen Halt, eine Stabilität, einen sicheren Hafen, den ihnen in dieser Ausprägung niemand geben kann. Sie
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