Aus Freundschaft wurde Liebe (German Edition)
erkältet war. Er war im Gegenteil immer der gesündeste von uns allen.“
„Es gibt unterschiedliche Ursachen, die zu Asthma führen können. Ich vermute, bei Ihrem Vater ist dieses Leiden stressbedingt.“
Susanne schaute den Arzt betroffen an. „Ich muss zugeben, dass mein Vater jetzt kaum noch eine ruhige Minute hat. Meine kleine Tochter hält ihn den ganzen Tag in Bewegung. Sie ist sehr aktiv. Melanie ist mit dem Down-Syndrom geboren“, fühlte sie sich verpflichtet zu erklären. „Ich nehme an, Sie haben schon davon gehört, obwohl wir in der Nachbargemeinde wohnen. Auf dem Land weiß gewöhnlich jeder alles von jedem“, meinte sie verbittert.
„Da haben Sie allerdings recht, Frau Holzer“, bestätigte der Arzt. „Ich habe lange genug hier gelebt, und habe auch so meine Erfahrungen in dieser Hinsicht. So schlimm finde ich es aber gar nicht, dass sich die Leute für ihre Mitmenschen interessieren. Es hat wohl Vor- und Nachteile.“
„ In meinem Fall eher Nachteile. Für mich ist es immer wie ein Spießrutenlaufen, wenn ich mit Melanie einmal durch den Ort gehe. Dabei hat meine Tochter nur die leichtere Form dieser Krankheit, wie mir die Ärzte immer wieder gesagt haben. Aber die Leute starren uns an, als ob wir von einem anderen Planeten stammen würden. Ich mache dann immer ganz schnell, dass ich wieder nach Hause komme.“
„ Kann es nicht sein, dass Sie sich das alles ein bisschen einreden, Frau Holzer?“, fragte er nachdenklich. „Die Leute sind neugierig, oft auch ein wenig unsicher, wie sie mit einem Behinderten umgehen sollen, ohne ihn in irgendeiner Weise zu verletzen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es Ablehnung ist. Ich muss gestehen, dass ich auch schon von Ihrer kleinen Tochter gehört habe. Es war im Zusammenhang mit dem Tod Ihrer Mutter. Die Bemerkung war aber eher mitfühlend gemeint, weil Sie durch diesen schweren Verlust auch noch vor dem Problem standen, wer sich nun um Ihre Tochter kümmern sollte.“
„ Mein Vati ist ohne murren sofort eingesprungen“, sagte Susanne bedrückt. „Ich war so erleichtert darüber, weil ich ja sonst meine Arbeit hätte aufgeben müssen. Dabei war es doch ein echter Glücksfall für mich, dass ich nach meiner Scheidung bei der Gemeindeverwaltung anfangen durfte. Herr Leistner ist ein wunderbarer Chef. Aber wozu sage ich Ihnen das, Sie haben ihn ja selbst kennengelernt.“
„ Den Hannes kenne ich noch von früher“, bestätigte der Arzt amüsiert. „Es hat mir ehrlich leid getan, dass ich ihm die Dienstreise ausreden musste.“
„ Er hat eingesehen, dass es das beste war, auf Ihren Rat zu hören. Was er aber ganz und gar nicht versteht ist, dass Sie die Praxis Ihres Vaters abgeben wollen. Er fängt immer wieder davon an. Ihr Vater und der Bürgermeister sind gut miteinander ausgekommen, Herr Doktor. Die beiden haben sich sogar gelegentlich im Dorfkrug zu einem Glas Bier getroffen. Dabei muss Ihr Vater immer wieder gesagt haben, wie sehr er sich auf den Tag freut, an dem er die Praxis seinem Sohn übergeben kann.“
Simon schwieg betroffen. Er fragte sich, warum die Leute nicht begriffen, dass er seine Arbeit am Krankenhaus nicht so einfach aufgeben konnte.
Sein Blick ging wie magisch angezogen zur Tür. Dort stand ein entzückendes kleines Mädchen mit dunklen, verwuschelten Haaren und schaute verwundert lächelnd auf sie. Der fremde Mann, der sich hier mit ihrer Mutti unterhielt, schien es davon abzuhalten, sofort zu ihr zu laufen. Simon bemerkte den alten zottigen Bären, den das Kind an seine Brust presste. Dabei fielen ihm auch die schlitzförmig schräg verlaufenden Lidspalten auf, sowie die halbmondförmige Hautfalte am inneren Augenwinkel. Die Ähnlichkeit mit einer Ostasiatin war nicht zu übersehen. Und dennoch fand er die Kleine einfach entzückend.
„Ich bin kein böser Mann, Melanie. Du kannst ruhig zu deiner Mutti gehen“, meinte er lächelnd.
„Was willst denn du noch da?“, fragte Susanne, die ihre kleine Tochter erst jetzt bemerkte. „Kannst du nicht einschlafen? Oder hast du schlecht geträumt?“
Als die Kleine heftig nickte, versprach sie: „Ich komme gleich nach, wenn du mir versprichst, dass du sofort wieder in dein Bett zurückgehst. Du wartest wohl noch auf die Gute-Nacht-Geschichte, die ich dir versprochen habe?“
Wieder nickte Melanie, während ihr Gesicht wie eine Sonne strahlte. Gleich darauf war sie verschwunden.
Der Arzt bedauerte es, dass er keine
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