Aus Freundschaft wurde Liebe (German Edition)
einfach nicht los wurde, sich verteidigen zu müssen. Er warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr und erklärte dann hastig: „Meine Mutter wartet mit dem Abendessen. Ich muss mich beeilen. Und du wirst sicher auch schon sehnsüchtig von deiner kleinen Tochter erwartet. Bei deinem Vater schaue ich selbst noch einmal kurz hinein. Du hörst aber noch einmal von mir, ehe ich nach Stuttgart zurückfahre.“
Er nahm ihre Hand, um sich zu verabschieden. Eine tiefe Wehmut beschlich sein Herz, als er daran dachte, dass er Susanne mit all ihrem Kummer bald alleine lassen musste. Er durfte sie anrufen, aber er zweifelte auf einmal daran, dass sie am Telefon den Mut haben würde, ihm ihren Kummer anzuvertrauen.
* * *
Alma Weigand konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum ihr Sohn so lange wegblieb. Selbst wenn ihn sein Rad im Stich gelassen hatte, müsste er auch zu Fuß längst zurück sein. Die gemeinsame Kaffeestunde, auf die sie sich so gefreut hatte, musste sie alleine hinter sich bringen. Dabei hatte sie extra einen Apfelkuchen dafür gebacken. Und nun stand auch noch die Pastete kurz davor, kalt zu werden. Die alte Dame begann sich langsam Sorgen zu machen, dass ihrem Sohn etwas zugestoßen sein könnte. Ihrer Meinung nach konnte er sich unmöglich so lange bei den Holzers aufhalten. Es begann ja schon dunkel zu werden. Nach der langen Zeit, in der das Fahrrad nun schon im Schuppen stand, hatte sie wenig Hoffnung, dass die Beleuchtung noch in Ordnung war. Sie war mit ihren Nerven schon fast am Ende, als er endlich zur Tür hereinkam.
„Das duftet ja köstlich, Mutti“, stellte Simon fest. „Deine Pastete werde ich vermissen, wenn ich wieder täglich auf unsere Krankenhauskost angewiesen bin. Können wir gleich anfangen? Soll ich für uns den Tisch decken?“
„ Im Esszimmer ist schon alles vorbereitet, Simon. Ich hatte ja genügend Zeit dafür“, erklärte sie ein wenig verschnupft. „Du warst lange weg.“
Er setzte sich an seinen gewohnten Platz und lehnte sich im Sessel zurück. „Du hast recht, Mutti. Es ist spät geworden“, bestätigte er. „Ich habe mich noch eine ganze Weile mit Susanne Holzer unterhalten. Sie ist eine unwahrscheinlich tapfere junge Frau. Du müsstest sie einmal kennenlernen, Mutti.“
Wie begeistert die Stimme ihres Sohnes auf einmal klang, wenn er von dieser Frau sprach. Sie schien ihn sehr beeindruckt zu haben. Ob er mehr für sie empfand als Bewunderung? Susanne Holzer war bereits geschieden, wie sie einmal gehört hatte. Und sie hatte ein Kind, das zudem noch behindert war. Eine junge Ehe musste doch unter einer derartigen Belastung leiden. Sie wollte ihren Sohn glücklich sehen.
Plötzlich schämte sich die alte Dame. Sie war froh, dass ihr Sohn nicht Gedanken lesen konnte. Dass sie mit Janina nie warm werden würde, stand längst für sie fest. Aber es war das Glück ihres Sohnes, um das es ging, darum musste sie sich mit seiner Entscheidung abfinden.
„Was machst du denn auf einmal für ein Gesicht, Mutti?“, fragte der junge Arzt verblüfft. „Ich habe doch nur gemeint, dass du Susanne und ihre kleine Tochter einmal kennenlernen solltest. Die Kleine wurde mit dem Down Syndrom geboren“, erklärte er. „Wie eine Ostasiatin sieht sie aus. Dunkle lockige
Haare und nat ürlich die für diese Krankheit typischen Schlitzaugen. Ich war von ihrem Lächeln so beeindruckt. Es war wie ein Sonnenaufgang“, schwärmte er. „Du müsstest es einmal sehen, Mutti, dann würde es dir genauso gehen wie mir. Melanie ist ein ganz entzückendes Kind. Sie war nur ein wenig scheu, weil ich ihr natürlich fremd war. Ich hätte mich gerne noch etwas mit ihr befasst.“
„ Ich wüsste nicht, bei welcher Gelegenheit ich das Mädchen zu sehen bekommen sollte, Simon.“
„ Der Bus fährt am Tag mehrere Male nach Steinheim“, erinnerte sie ihr Sohn.
„Das weiß ich.“ Sie schnitt eine dicke Scheibe von der Pastete ab und legte sie ihrem Sohn auf den Teller, bevor auch sie sich davon nahm. „Mir ist nur nicht klar, wie ich den Holzers meinen Besuch erklären soll. Die Leute würden denken, dass ich aus lauter Neugier zu ihnen komme. Wie geht es eigentlich dem Holzer?“, unterbrach sie sich. „Konntest du seinem Herzen wieder auf die Sprünge helfen?“
„ Der Mann hat Asthma. Ich habe ihm das Versprechen abgerungen, dass er so bald wie möglich einen Arzt aufsucht, der meine Diagnose bestätigt. Aber ich habe leider wenig
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