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Aus Licht gewoben

Aus Licht gewoben

Titel: Aus Licht gewoben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Bracken
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können.«
    Ich betrachtete sein Gesicht mit den langen dunklen Wimpern, die auf seinen Wangen ruhten, und konnte ihn vor mir sehen, wie er vor Jahren schon dort zwischen den Bäumen im kalten Schmutz gelegen hatte, in dieselbe Decke gehüllt.
    »Wo war deine Mutter? Und dein Vater?«
    Norths Augen blieben geschlossen.
    »Sie haben mich schon vor langer Zeit verlassen.« Er drehte mir wieder den Rücken zu. »Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig.«

    »Doch, das ist es«, flüsterte ich, das geflochtene Silber meiner Kette fest in den Händen.
    »Schlaf«, sagte er. »Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«

Sechstes Kapitel
    A m nächsten Abend erstreckten sich unsere Schatten weit über das vertrocknete Gras, sie wirkten wie darüber gebreitete Decken. Es war eine seltsame Form, doch sie gehörte zu uns.
    Das machte den fremden, unbekannten Schatten, der daneben auftauchte, umso beunruhigender.
    Zuerst dachte ich, North wäre langsamer geworden, doch der Schatten war es nicht. Behände bewegte er sich durch das Gras, wie einer von Henrys Brüdern beim Versteckenspielen. Als ich ihn endlich darauf aufmerksam machte, hatte North ihn bereits selbst bemerkt.
    »Ein geschickter kleiner Trick, den sich die Heckengemeinschaften ausgedacht haben«, sagte er, als er meinen verwunderten Blick sah. »Aber er kann uns nichts anhaben.« Er warf einen Stein, der den Schatten traf und durch ihn hindurch flog. Der Schatten stob auseinander, bevor sich seine tausend Einzelteile am Boden wieder vereinten. Er verschwand im hohen Gras und kam auch nicht wieder zum Vorschein, als North einen weiteren Stein warf.
    »Wo ist er hin?«, wollte ich wissen. »Was ist mit ihm passiert? «
    »Das ist ein Schattenbote«, sagte North. »Er ist jetzt auf dem Weg zurück nach Arcadia, um ihm mitzuteilen, dass wir unterwegs sind.«

    »Dann müssen wir ihn fangen«, sagte ich. »Wenn er weiß, dass wir kommen …«
    »Das will ich ja erreichen, Syd«, sagte North, nahm mir meine Tasche ab und hängte sie sich selbst über die Schulter. »Er soll ruhig wissen, dass sein kleines Spielchen bald ein Ende hat. Komm.« Er legte mir die Hand auf den Rücken, um meine Schritte zu beschleunigen.
    »Wie macht er das nur?«, begann ich, als wir ein gutes Stück vorangekommen waren. »Woher hat er eine solche Macht über Schatten?«
    North lächelte ironisch. »Wenn ich das nächste Mal einer Gruppe Heckenhexen begegne, frage ich sie für dich.«
     

     
    Als wir uns ein paar Tage später am Fuß eines Bergpfades befanden, sprach er endlich die Worte aus, um die ich Astraea so lange angefleht hatte. »Ich glaube, wir können den Rest der Strecke springen.«
    »Bist du dir auch sicher?«, fragte ich.
    »Nun ja, einen Versuch ist es jedenfalls wert«, erwiderte er und legte mir einen Arm um die Schulter. »Wenn ich das Ziel verfehle und wir in den Tod stürzen, darfst du mir die Schuld geben.«
    Und wieder fielen wir. Ich konnte das Gefühl nicht ausstehen, daher krallte ich mich an Norths Brust fest. Es war, als wäre mir das Herz in den Magen gerutscht. Selbst das Kribbeln, das mich von Kopf bis Fuß durchströmte, war kein Ausgleich für dieses Gefühl.
    Mit einem dumpfen Geräusch landeten meine Füße auf festem Boden. Holz , dachte ich, Astraea sei Dank . Als ich meine Umgebung wieder wahrnehmen konnte, fiel mein Blick auf eine alte Dame. Sie saß neben einem kleinen Feuer am Kamin
und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf einen Tisch. Hinter mir hörte ich, wie North sich räusperte. Die Frau schnalzte nur missbilligend mit der Zunge und erhob sich, einer Königin gleich, von ihrem Stuhl.
    »Ich hatte dich früher erwartet«, sagte sie. »Hast du deiner Dienstherrin irgendetwas mitzuteilen?« Sie schien nur aus Falten und rostbrauner Haut zu bestehen, dunkel und weich wie Leder.
    Mein Vater hatte mir einmal erzählt, man könne den Rang einer Frau an ihrer Hautfarbe erkennen. Feine Damen mussten niemals im Freien arbeiten und waren deshalb milchigweiß. Ich allerdings, obwohl meine Haut fast so durchsichtig war wie die von einem Geist, gehörte nicht zu dieser Gruppe. Meine Haut wurde nur rot und bekam überall Sommersprossen.
    »Selbstverständlich habe ich das.« North verbeugte sich übertrieben. »Sie sehen heute einfach hinreißend aus, Lady Aphra.«
    »Du hast eine Dienstherrin?«, wisperte ich durch zusammengebissene Zähne.
    »Oh, habe ich etwa vergessen, das zu erwähnen?« North lachte laut und leicht nervös.
    »Allerdings«, sagte ich

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