Aus Licht gewoben
trank es gierig leer, wobei er das Gesicht verzog, weil ihn die genähte Wunde schmerzte.
»Mein Kopf fühlt sich an … als würde er zerspringen«, sagte er und ließ sich wieder auf seine Decken zurücksinken. Dann schloss er die Augen.
»Warum wolltest du das Schmerzelixier und den Schlaftrunk nicht nehmen?«, fragte ich, meinen Kopf vorsichtig gegen seinen gelehnt. »Ich musste dich praktisch zwingen.«
North schüttelte beschämt den Kopf. Er sah so zerbrechlich aus auf seinen Decken. Die dunklen Ringe unter seinen Augen waren auf dem Hintergrund der aschfahlen Haut überdeutlich hervorgehoben. »Ich habe das alles so satt. Ich kann den Geschmack von Honig einfach nicht mehr ertragen. Aber es ist schon eine Weile her, dass die Schmerzen so schlimm und dauerhaft waren.«
»North«, fing ich an. »Du musst es jetzt nicht mehr vor mir verbergen, wirklich nicht.«
»Es ist so ein dunkler, hässlicher Teil von mir, und …« Seine Stimme klang verbittert. »Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie ekelerregend es ist. Wie beschämend.«
»Nichts an dir ist dunkel oder hässlich«, sagte ich mit Bestimmtheit und drückte seine Hand. »Nicht für mich, jetzt nicht und auch nicht in Zukunft. Hast du gehört?«
North wandte den Kopf dem schwachen Licht des Fensters zu. »Mein Vater hat mir diesen Fluch vererbt, wie schon sein Vater es vor ihm getan hat«, sagte er. »Weißt du noch, was ich dir über die Heckenhexen erzählt habe?«
Ich nickte. »Aber ich dachte, die gäbe es nur am Stadtrand, in der Wildnis?«
»Mein Großvater war Mitglied der Zauberergarde.« Er hielt inne. »Der König hatte ihn beauftragt, außerhalb von Andover einen Zirkel von Heckenhexen aufzulösen. Die meisten der ihm unterstellten Zauberer wurden dabei getötet …«
»Aber er hat überlebt«, beendete ich seinen Satz.
»Ja, er hat überlebt. Sie haben ihn mehr als zwei Wochen gefangen gehalten, und als ihm schließlich die Flucht gelang, nahm er dieses entzückende kleine Geschenk mit.«
Während ich darauf wartete, dass er fortfuhr, strich ich ihm über den Kopf.
»Es vernichtet langsam, aber sicher meine magischen Fähigkeiten«, sagte er tonlos. »Zerreißt Körper und Seele. Als ich noch jünger war, konnte ich stundenlang arbeiten, ohne den Schmerz richtig zu spüren, aber jetzt …«
»Ich weiß«, sagte ich sanft.
»Die geschwärzte Haut ist ein Anzeichen dafür, wie viel meines Körpers schon durch den Fluch zerstört worden ist. Ich verstehe auch nicht, warum es jetzt so viel schlimmer ist als früher. Es geht auf einmal so schnell. Ich verwende meine magischen Fähigkeiten jetzt viel seltener als früher, aber das spielt kaum noch eine Rolle.«
»Und in all den Jahren hat wirklich niemand ein Heilmittel finden können?«
»Die Heckenhexen sind vor allem deshalb so gefährlich, weil sie nicht zu kontrollieren sind.« Seine Stimme wurde schon wieder heiser, aber er wollte nichts mehr trinken. »Sie experimentieren mit so grauenvollen Dingen herum, dass man es sich kaum vorstellen kann. Flüche, Todeszauber. Und um ihr Wissen zu schützen, selbst voreinander, ist ihnen jedes Mittel recht.«
»Ist die Hexe, die euch das angetan hat, noch am Leben? «, fragte ich. »Könnte sie den Fluch nicht rückgängig machen?«
»Nach allem, was ich herausfinden konnte, ist sie schon viele Jahre tot. Mein Vater hat selbst lange Zeit nach ihr gesucht. Wie es scheint, hatte die Alte keinen Lehrling, an den sie ihre Künste weitergeben konnte.«
Ich zog ihm die Handschuhe aus und betrachtete die Haut darunter mit ganz neuem Verständnis und voller Entsetzen. Ich musste ihn einfach berühren.
»Du hast weiche Hände.« Seine Stimme schien von weit weg zu kommen, und ihm fielen die Augen zu.
»North, wenn es dir Schmerzen bereitet, wenn es dich irgendwann umbringt, warum benutzt du deine magischen Fähigkeiten dann noch?«
»Was bin ich schon ohne sie?« Wieder verlor ich ihn an den Schlaf.
Als Lady Aphra einige Stunden später hereinkam, saß ich noch an der gleichen Stelle neben Norths Lager. Wortlos legte sie ein Bündel Kleidung ans Fußende des Bettes und ging hinaus, damit ich mich umziehen konnte. Ich hatte keine Ahnung, woher sie die braune Hose und das weiße Hemd genommen hatte, denn tragen würde Aphra so etwas sicher nie.
Die Hände in die Hüften gestützt, wartete sie im Flur auf mich.
»Wird es reichen?«, fragte ich sie.
»Sie brauchen noch etwas, um die Haare zu verstecken«, sagte sie und nahm eine
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