Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
vor. »Du wirst mir nie verzeihen, was soll das also noch alles?«
Er stand auf, vor Wut zitternd. Alles, was ihm in die Quere kam, warf er um.
»Ich wollte immer nur, dass du mich und Michael liebst«, sagte ich.
So gegen fünf Uhr legte er sich schließlich wieder hin und nickte ein. Ich lag neben ihm - mir war kalt, ich war müde, ich war leer und unfähig, noch so etwas wie Liebe zu empfinden - selbst für Michael nicht. Es war, als hätte jemand meine sämtlichen Gefühle abgeschaltet.
Mir war alles egal. Ich wollte bloß, dass meine Schmerzen aufhörten. Da fiel mein Blick auf das Messer, das Paul verwendet hatte, um den Apfel zu schälen; es lag auf dem Teller auf dem Boden. Es war in meiner Reichweite. Ich fasste danach und spürte, wie der Griff in meiner zitternden Handfläche ruhte. Ich packte es fest - ich konnte kaum atmen. Paul war die Ursache für all mein Leid. Wenn ich mich seiner entledigen konnte, dann war ich auch mein Leid los.
» Mahal kita! «, rief ich, als ich mich ihm zuwandte - in meiner Muttersprache heißt das »Ich liebe dich«.
Ich stach mit dem Messer mehrmals auf seinen Brustkorb ein, bevor Paul das Messer in meiner Hand überhaupt bemerkte. Er setzte sich mit einem entsetzten Ausdruck auf und starrte auf das Blut hinunter, das aus dem Loch quoll.
»Es tut mir Leid!«, stieß er hervor. »Es tut mir Leid!«
Er versuchte, mir das Messer abzunehmen, aber ich kämpfte verbissen darum, denn ich hatte Angst, was er mir antun würde, nachdem ich ihn so wütend gemacht hatte. Aber er war zu stark für mich, und so gelang es ihm schließlich, mir das Messer zu entwinden. Ich sprang von der Steppdecke auf und rannte durchs Zimmer, er hinter mir her. Ich wusste nicht wohin, um ihm zu entkommen. Das Zimmer war ja so klein. Ich saß in der Falle - es gab kein Entrinnen. Als er einen Satz nach vorn machte, um mich zu packen, griff ich nach seinem Handgelenk und
nahm ihm das Messer ab. Nach kurzem Zögern stürzte er zu Boden. Ich hielt nicht inne, ich dachte nicht nach, sondern nutzte die Chance - ich wollte ihn hindern, aufzustehen und wieder auf mich loszugehen - und stach mit dem Messer noch dreimal auf ihn ein, ich glaube, in den Bauch.
12. KAPITEL
Kein Entrinnen
Paul rührte sich nicht, doch ich hielt mich nicht damit auf, zu schauen, ob er noch atmete.
»Es tut mir Leid«, schluchzte ich, »ich habe dich so geliebt, aber ich konnte es einfach nicht mehr aushalten.«
Ich wusste nicht, was ich zuerst tun sollte. Ich musste mich um so vieles kümmern, doch in welcher Reihenfolge?
Ich ging in die Küche, um das Blut von meinen Händen abzuwaschen; ich sah zu, wie es sich über das weiße Plastik im Spülbecken ausbreitete und dann den Abfluss hinunter verschwand, als hätte es nichts mit einem Menschenleben zu tun. Das Wichtigste war, Michael zu schützen - vor dem, was passiert war und als Nächstes passieren würde.
Wie benommen ging ich nach oben, um nach ihm zu schauen. Ich wusste nicht genau, was eigentlich geschehen war, aber ich wusste sehr wohl, dass Michael seinen Vater nicht in einem Blutbad auf dem Boden liegen sehen sollte. Er hatte jetzt schon genug negative Erinnerungen, mit denen er zurechtkommen musste.
Er schlief tief und fest, als ich in sein Zimmer kam, sein unschuldiges Engelsgesicht auf das Kissen gebettet. Ich überlegte mir, ob ich ihn besser in Ruhe lassen und wieder nach unten gehen sollte, um die Polizei zu rufen - um ihnen zu erzählen, was passiert war, und einfach alles ihnen zu überlassen. Aber dann wäre Michael noch im
Haus, wenn sie kamen, und würde sehen, wie seine Mutter verhört und mit Handschellen abgeführt wird. Und was würden sie dann mit ihm machen? Würden sie ihn bei mir lassen? Wohl eher nicht. Ich dachte, dass Fremde ihn mitnehmen würden, und das wollte ich nicht.
Der einzige klare Gedanke in meinem chaotischen Gehirn war, dass ich ihn von hier weg an einen sicheren Ort bringen musste, wo er dann bleiben konnte, während ich mir überlegte, was als Nächstes zu tun war.
»Michael«, flüsterte ich, als hätte ich Angst, einen Toten zu wecken, »wir müssen hier weg.«
»Warum weinst du denn, Mami?«, fragte er, als er die Augen aufschlug. Ich umarmte ihn. Er fühlte sich warm und weich an, so schläfrig wie er war.
»Es ist nichts«, sagte ich wie immer, wenn er mir diese Frage stellte. Die meiste Zeit wusste ich ja selbst nicht, warum ich weinte, und so konnte ich dem Jungen sicher keine Erklärung geben.
»Wo ist Papa?«
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