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Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Titel: Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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weitgehend durch die Verlagerung in die Fiktion entschärft, partiell befriedigt und entladen. Und Karsten Klinger denkt sich auch nichts dabei. Er fühlt sich wohl. Es gibt für ihn keinen Grund, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen oder einen Arzt aufzusuchen. Selbst als er dazu übergeht, sich regelmäßig mit Gewaltvideos zu stimulieren, sieht er keinen Veränderungsbedarf.
    Dann ändert sich aber doch etwas. Weil Karsten Klinger nicht länger auf gewalttriefende Videos angewiesen sein möchte, legt er sich schließlich einen Internetanschluss zu. Dieses Medium eröffnet ihm neue, schier unbegrenzte Möglichkeiten. Zunächst fühlt er sich besonders von solchen Bildern angesprochen, die Knaben mit nacktem Oberkörper zeigen. Dann erweitert sich das Repertoire der Perversionen: Er sucht in erster Linie nach Fotos von jungen Männern, die einen Schuss in die Brust bekommen haben oder sonst verletzt worden sind. Seine daraus abgeleitete Maximalphantasie: Er lernt einen jungen Mann kennen, geht mit ihm in den Wald, man kommt sich näher – überfallartig beginnt er, den Jungen zu würgen, dann das Finale: Stiche in die Brust des Opfers, der qualvolle Tod.
    Dieser langwierige Prozess der Verfremdung und Entfremdung bedingt normalerweise durchaus zwiespältige Einschätzungen der eigenen Abnormität und die Angst vor drohenden Perversionsdurchbrüchen in der Realität. Die Phantasie- und Erlebniswelt wird einmal als belebend, stimulierend und lustvoll erlebt, ein anderes Mal erscheint sie bedrohlich, persönlichkeitsfremd und abgründig. Bei Karsten Klinger hingegen dauert es außergewöhnlich lange, bis er realisiert, dass mit ihm etwas nicht stimmt: Der Mann ist 29 Jahre alt, als er sich plötzlich unangenehme Fragen stellt: Was machst du da eigentlich im Internet? Ist das nicht strafbar? Ist das nicht pervers? Du brauchst doch Hilfe! Aber diese Gedanken verschwinden genauso abrupt, wie sie gekommen sind. Also doch kein Handlungsbedarf.
    Stattdessen werden seine pathologischen Bedürfnisse weiter befeuert, als er entdeckt, dass es Pornofilme gibt, die immer dasselbe Handlungsmuster haben: Mann liebt Mann, Mann tötet Mann. Diese Genre-Filme faszinieren Karsten Klinger, weil sie seiner Maximalphantasie sehr nahekommen. Und als er in Chatrooms Männer kennenlernt, die sich ebenfalls als gleichgesinnt outen, macht er eine ganz neue Erfahrung: Es gibt Leute, die sind so wie du. Ich bin nicht allein auf dieser Welt!
    Fortan durchstreift Karsten Klinger das Internet und sucht fieberhaft nach Fotos, die gefolterte und getötete Knaben zeigen, und er giert nach Filmen, die als einzige, wesentliche Handlung das gewünschte Gemetzel zum Inhalt haben. Jeden Tag sitzt er vor dem Computer, starrt auf den Bildschirm, geilt sich auf, onaniert. Nur so gelingt es ihm, die innere Balance zu halten, den Alltag zu bewältigen, seinen Beruf als Fernfahrer auszuüben, zu funktionieren.
    Für das Leben seiner Mitmenschen wird Karsten Klinger jedoch erst zu einer Bedrohung, als er im Internet Matthias Moog begegnet, der zwar eine andere Maximalphantasie hat als er, der aber ernstlich Bereitschaft signalisiert, dem bösen Gedanken auch die böse Tat folgen zu lassen. Dieses ungemein belebende, ermutigende Vereinigungs- und Gemeinschaftsgefühl ist fortan die nicht mehr zu erschütternde Basis für ein Verbrechen, zu dem jeder für sich allein wohl niemals fähig gewesen wäre. Von diesem verhängnisvollen Moment an hat Christopher Mangels nur noch wenige Wochen zu leben. Es hätte aber auch jeden anderen treffen können.

»Kann ich dein Herz haben?«
    7.30 Uhr: Der Himmel ist grau, die Wolken hängen tief, leichter Nieselregen. Es ist nahezu windstill. Jeden Morgen ist Veronika Langer zu dieser Zeit mit den Hunden unterwegs, immer dieselbe Strecke, die sie auch an die Böschung des Südufers im Jachthafen führt. Die beiden Schäferhunde ziehen an der Leine, sie wollen ins Wasser. Veronika Langer stapft durch das dichte Gestrüpp hinunter zum Ufer. Als die 46-Jährige unten angekommen ist, erregt ein Gegenstand ihre Aufmerksamkeit, der einige Meter entfernt im flachen Wasser sanft hin und her wogt und wohl angespült worden sein muss. Während die Hunde ausgelassen über den Strand tollen, schaut Veronika Langer sich den Fund genauer an: merkwürdig angewinkelt, irgendwie verdreht, bläulich verfärbt, spindeldürr – nur noch Haut und Knochen. Die Frau hält das, was da vor ihr im Wasser schwimmt, für die Überreste eines

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