Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
»aber das hatte nichts mit dem Film zu tun.« Er sei daraufhin zur Wohnung seiner Vermieterin gelaufen, habe gerufen, geklingelt und geklopft, doch niemand reagierte. Weil die Tür nur angelehnt gewesen sei, habe er sich in die Wohnung begeben. »Sie lag im Flur auf dem Bauch und rührte sich nicht. Ich bin zurück in mein Zimmer gelaufen, habe mir Einmalhandschuhe übergezogen und die Feuerwehr alarmiert.« Dann habe er für die Feuerwehrleute die Haustür geöffnet, die schwerstverletzte Frau umgedreht und mit der Herzmassage begonnen. Dabei sei es zu den Blutübertragungen auf seine Kleidung gekommen.
Am nächsten Morgen suchen Beamte der Bereitschaftspolizei noch einmal bei Tageslicht den Nahbereich des Hauses ab, aber auch die umliegenden Gärten und Nebenstraßen, schauen in Gullys, Mülltonnen; vielleicht warf der Mörder die Tatwaffe auf der Flucht weg oder versteckte sie dort. Die Suche bleibt erfolglos.
Erfolgreicher sind dagegen die Tatortspezialisten. Sie finden in der Wohnung zahlreiche biologische Spuren, die in den nächsten Tagen durch Experten des Landeskriminalamts allerdings erst noch bewertet und ausgewertet werden müssen. Das erste Resümee der Ermittler fällt ernüchternd aus: kein Tatverdächtiger, keine Tatwaffe, aber auch kein Tatmotiv, weil in der Wohnung vermutlich nichts fehlt und für eine Beziehungstat keine Anhaltspunkte vorhanden sind. Die Kriminalisten stehen vor einem Rätsel.
Die Nachricht von der Ermordung Bertha Juskowiaks verbreitet sich schnell im Stadtteil Bovinghofen und ist Thema Nummer eins, ob beim Metzger, beim Frisör oder am Kiosk – Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit machen sich breit. Viele Bürger, insbesondere die alleinstehenden Älteren, haben ein mulmiges Gefühl und sind verunsichert: Wie schützt man sich vor solch einem Täter? Wer ist womöglich der Nächste, den es trifft? Alle sind sich einig, dass diese schreckliche Tat möglichst rasch aufgeklärt werden muss. Damit man sich wieder sicherer fühlen kann.
Als das vorläufige Ergebnis der Obduktion vorliegt, werden die ersten Konturen dieses Dramas sichtbar. Die Rechtsmediziner haben insgesamt 62 Verletzungen gezählt, mehr als 40 Stiche erhielt das Opfer in Kopf, Brust und Bauch. Die Angriffe wurden so vehement ausgeführt, dass mehrere Rippen durchtrennt, das Brustbein durchstoßen und die linke Brusthälfte, der Herzbeutel und die Bauchhöhle eröffnet wurden – ein maßloses Verbrechen, ein Gewaltexzess. Bertha Juskowiak muss sich verzweifelt gewehrt und dabei auch in das Messer des Täters gegriffen haben, zahlreiche Stich- und Schnittverletzungen an ihren Armen und Händen sind stumme Zeugen. Der Todeskampf dürfte nach Einschätzung des Sachverständigen mehrere Minuten gedauert haben. Als Todesursache wird »Verbluten nach innen« angegeben.
Die zwölfköpfige Mordkommission ermittelt mit Hochdruck, denn jedem ist klar, dass man es mit einem hochpathologischen und hochgefährlichen Täter zu tun hat. Nach den ersten beiden Tagen gelingt es, folgende Fakten zusammenzutragen: Zur als sicher geltenden Tatzeit (21.30 Uhr) sind berechtigterweise nur Bertha Juskowiak und Konstantin Färber im Haus gewesen. Die Haustür soll verschlossen gewesen sein. Einbruchsspuren hat man nicht feststellen können, weder im Haus noch in der Wohnung des Opfers, in der auch sämtliche Fenster verriegelt gewesen sind. Und als unzweifelhaft darf jetzt auch angenommen werden, dass Bertha Juskowiak nicht beraubt worden ist. Zudem haben Verwandte und Nachbarn die Getötete als Fremden gegenüber ausgesprochen misstrauisch beschrieben, die ältere Dame habe stets die Gegensprechanlage benutzt und hätte einem Unbekannten niemals die Tür geöffnet, schon gar nicht bei Dunkelheit. Dass ein Einbrecher das Opfer getötet haben könnte, halten die Fahnder für eher unwahrscheinlich, solche Täter begehen erfahrungsgemäß keine Gewaltexzesse. Aus diesen Erkenntnissen ziehen die Ermittler den Schluss, dass Bertha Juskowiak ihren Mörder gekannt und selbst ins Haus hineingelassen haben könnte. Demzufolge muss das Privatleben des Opfers durchleuchtet werden, natürlich auch das Verhältnis zu ihren Mietern.
Bertha Juskowiak wird von Nachbarn, Freunden und ehemaligen Geschäftspartnern als rüstige, höfliche, freundliche, vitale und vor allem lebensbejahende Frau beschrieben, die allgemein geschätzt wurde und beliebt war. Als Geschäftsfrau sei sie gemeinsam mit ihrem Mann, den sie bis zu dessen Tod
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