Aus reiner Notwehr
schwierig, uns gegenseitig die Alibis zu bestätigen.”
Stephen schlug die Bettdecke zurück, richtete sich auf und setzte sich neben sie, wobei es ihm nichts ausmachte, dass er lediglich seinen Slip anhatte. Sie sah ihn schließlich nicht zum ersten Mal so. “Amber, du machst dir doch nicht etwa deswegen Sorgen?” Er berührte ihr Haar – er fasste schrecklich gern ihr Haar an. “Wir haben geschlafen, basta. Die Bullen müssen uns erst mal das Gegenteil beweisen. Und das wird ihnen schwerfallen.”
Sie schwieg, zerdrückte seufzend ihre Zigarette und stopfte den Stummel in die leere Dose. “Ich habe wirklich geschlafen, Stephen. Aber sie gehen davon aus, dass es einer von uns war. Ich, du … möglicherweise sogar Nick!”
“Nick!” Er zog seine Hand zurück, ließ sich flach nach hinten aufs Bett fallen und beobachtete das gemächliche Kreisen des Ventilators. “Ja, Mensch, das passt! Das passt, glaube ich!”
Sie drehte sich zur Seite, um ihn anzusehen. “Wie meinst du das? Was soll das heißen, ‘das passt’? Sag mal, was redest du denn da für einen Unsinn? Nick hat ihn ganz bestimmt nicht umgebracht.”
“Woher willst du das wissen? Er hatte ein Motiv, und Gelegenheit auch.” Er begann, seine Gedanken an den Fingern einer Hand abzuzählen. “Erstens: Motiv. Er wusste, dass er von Deke eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Hals bekam, wegen der Sache mit der Dienstwaffe. Zweitens: Gelegenheit. Die bestand bei ihm genauso wie bei uns. Kannst du sagen, wo er zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens war? Und hinter dir her ist er auch, Amber.”
Sie starrte ihn entsetzt an. “Das will ich nicht noch mal hören, Stephen! Hast du verstanden? Fehlte gerade noch, dass die Bullen jemandem aus unserer Familie mit einer solchen konstruierten und absurden Logik den Mord anhängen! Furchtbar! Das hält ja kein Mensch aus!”
“Nick Santana gehört nicht zu unserer Familie, Amber”, stieß Stephen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. “Du und ich, wir sind die Familie. Und Opa Leo. Sonst keiner!”
“Aber das ist doch Quatsch!” Seufzend legte sie ihm die Hand auf den nackten Bauch. Stephen keuchte, sein gesamter Körper heizte sich mit einem Schlage auf. “Verdammt noch mal, Stephen!”, fuhr sie fort. “Nick und Cody waren zum Zeitpunkt der Tat zu Hause! Ich lag in meinem Bett drüben in Victorias Gästezimmer, Opa Leo und du, ihr habt auch geschlafen. Stimmt das etwa nicht?”
“Doch, doch! Sicher!” Das Herz ging ihm wie ein Presslufthammer. Seine Hand legte sich über die ihre, wollte sie abwärts schieben, doch sie entzog sich ihm und stand auf. “Es ist spät. Schlaf jetzt!”
32. KAPITEL
“Z um letzten Mal jetzt, Sam: Wohin fahren wir?”
Sam beobachtete im Seitenspiegel einen gigantischen Sattel-Truck, der hinter ihnen auf die Überholspur der Interstate-Schnellstraße ausscherte und wie ein monströses fünfachsiges Ungetüm an ihnen vorbeidonnerte. “Zum letzten Mal, Kate: Wart’s ab!”
Kate schaute an sich herab. “Freizeitklamotten, hast du gesagt! Ich habe nur Shorts und T-Shirt an. Wehe, wenn ich nicht richtig angezogen bin!”
“Kleiner Hinweis: Ich muss keine Krawatte tragen.”
Sie unterdrückte ein Lächeln, sah sich einige Zeit die vorübergleitende Landschaft an und fragte dann leise: “Und was ist, wenn Leo einen Rückfall erleidet?”
“Ach! Das also geht dir die ganze Zeit im Kopf herum!”
“Ja, nun! Wir entfernen uns immer weiter vom Krankenhaus.”
“Eine halbe Stunde, Kate!” Sam schaltete den automatischen Geschwindigkeitsregler aus und setzte den Blinker zur nächsten Ausfahrt. “Außerdem hat mir Vince hoch und heilig versprochen, dass er sofort zur Stelle ist, ganz egal, wann.” Er näherte sich einem Stoppschild und bog links ab. “Es sind jetzt fünf Tage, und du hast praktisch neben seinem Bett biwakiert. Er ist stabil, die Spiegelung hat nur minimale Schäden an seinem Herzen aufgezeigt. Leo wäre doch der Erste, der dir raten würde, jetzt mal halblang zu machen!”
Kate strich sich ihr dunkles Haar von der Wange. “Es stimmt schon, er erholt sich prächtig. Ich habe auch weitaus mehr Angst um Mutter. Sie ist es, die ihr Lager an Leos Seite aufgeschlagen hat, nicht ich!”
“Keine zehn Pferde ziehen sie von ihm weg, und wenn du dich auf den Kopf stellst. Ganz natürlich für zwei Menschen, die sich so lange kennen. Die Krankheit lässt sie noch enger zusammenrücken.”
Unweit vom Straßenrand schwang sich ein weißer
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