Aus reiner Notwehr
vor fünf Jahren, als sie heirateten. Die Bräune war allerdings künstlich; mehrere Stunden pro Woche im Sonnenstudio ließen ihn wie einen passionierten Sportangler oder Segler erscheinen. Aber Sportler war Deke nicht, trotz seiner Vorliebe für Schusswaffen. Möglicherweise hatte das Boshafte in seinem Blick ein wildes, undiszipliniertes Element in ihr angesprochen. Und natürlich Sex. Der zumindest war gut gewesen.
Während er über seinen Akten brütete, war Amber mal hier, mal da; stellte hier etwas um, klopfte dort ein Kissen zurecht, legte anderswo eine Zeitschrift gerade. Sie faltete einen Afghan-Läufer und sagte: “Ich habe eben meinen Anrufbeantworter im Büro abgerufen, und stell dir vor: Maison Belle möchte, dass ich für sie eine Serie von Wohntextilien und andere Produkte für ihre Geschäfte entwerfe.”
“Hm.” Deke schaute nicht einmal auf und kritzelte eine Bemerkung auf den Rand einer Seite.
Amber richtete eine längliche Kerze auf dem Kaminsims gerade. “Sie vertreiben sie dann aus allen Geschäften im Bereich New Orleans, und sie haben auch noch Niederlassungen in Florida erworben. Das ist doch was, oder?”
“Dieser Typ hatte mir doch eine Telefonnummer gegeben, damit ich ihn in Baton Rouge erreichen kann!”
“Wer?”
“Na, dieser Anruf-Koordinator. Mein Gott, Amber! Hörst du eigentlich nie zu, wenn ich etwas sage?”
“Was meinst du denn nun zu Maison Belle? Sobald wir wieder in der Stadt sind, rufe ich Sidney Rosenthal an. Er muss mich informieren, bevor wir den Vertrag aufsetzen. Das könnte wirklich lukrativ werden, Deke. Bettwäsche, Küchentextilien, Vorhänge, Gardinen – nahezu grenzenlose Möglichkeiten!”
“Ich muss diese dämliche Nummer in meinem Wagen gelassen haben!”, murmelte Deke. Er erhob sich und ging hinüber zum Wintergarten, wo sich Leos Fernsehgerät befand, und dahinter lagen der Swimmingpool und der Whirlpool. Es war niemand zu sehen.
“Wo steckt Stephen? Er kann mal eben diese Nummer für mich holen.”
“Er sitzt vor dem Computer in Daddys Arbeitszimmer. Du hast doch mitbekommen, dass er ein neues Spiel ausprobieren wollte.”
“Was zum Teufel ist mit diesem Bengel los? Als ich fünfzehn war, hätten mich an einem Sommertag keine zehn Pferde im Haus gehalten. Herrje, es sind Ferien, die Mädels flanieren rum und zeigen, was sie haben, und mein Herr Sohn verkriecht sich wie ‘n Eierkopf in seiner Bude.”
“Er ist nun mal nicht wie du.”
Gott sei Dank!
“Er ist nicht wie du”, äffte er sie nach und warf angewidert seinen Kugelschreiber hin. “Ganz recht! Er ist nicht wie ich! Und solange du ihn auch noch ermutigst, die Sommerferien über in seiner Bude zu hocken, kriegt der doch überhaupt nichts von der Welt mit! Manchmal denke ich, es wäre besser für ihn, wenn seine leibliche Mutter noch leben würde.”
Es war nicht ihre Schuld, wenn Stephen lieber allein blieb, statt den üblichen Teenageraktivitäten nachzugehen. Es hatte aber keinen Sinn, sich deswegen zu zanken. “Soll ich ihn holen?”, fragte sie.
“Ach, ich hol mir die Nummer selbst. Wenn’s nicht ein Computer ist oder so ‘n Katzenmusik-Dingsda, erkennt er’s sowieso nicht.”
Amber machte es sich im Wintergarten auf dem dezent gemusterten Rattansofa bequem. Draußen ließ Deke den Motor des Range Rover aufheulen, setzte zurück, gab Gas und jagte mit quietschenden Reifen die Straße hinunter.
Einen schönen Tag noch, Liebling.
“Ist er weg?”
Amber nahm die Finger von den Schläfen, drehte sich um und sah ihren Stiefsohn vor der Terrassentür stehen. Er hielt eine CD-Box in der Hand und schaute wütend drein.
“Ja. Irgendetwas scheint er vergessen zu haben. Also müssen wir noch länger bleiben. Ich hoffe, du versäumst zu Hause nichts.”
“Und was ist mit dir? Wollte er nicht wissen, ob du überhaupt hier bleiben kannst? Du hast schließlich auch deine Verpflichtungen.”
Mit einem leicht sarkastischem Lächeln schüttelte sie den Kopf. “Nein, Stephen, wollte er nicht.”
Stephen war zwar erst fünfzehn, aber man konnte sich unschwer vorstellen, wie er als erwachsener Mann einmal aussehen würde. Gleich seinem Vater war er athletisch und breitschultrig gebaut, hatte dessen schwarzes Haar und die blauen Augen, jedoch mit einem dunkel-geheimnisvollen Ton – mit weit komplexeren Geheimnissen als denen, welche seinen Vater je beschäftigt hatten.
Er war zehn gewesen, als Deke und Amber geheiratet hatten, nur ein Jahr nach Jeanne Russos tödlichem
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