Aus reiner Notwehr
er.
Das war es also. Er hatte den Stachel einer Abwertung zu spüren bekommen. Nahezu acht Jahre lang waren in New Orleans die Radio-Talkshows am Tage quasi gleichbedeutend mit Deke Russo gewesen. Der Kern seiner Hörerschaft setzte sich aus politisch rechts orientierten Extremisten zusammen, die loyal bis zum Letzten zu ihm hielten – aber kein Radioprogramm konnte überleben, wenn es nicht auch andere Hörer gab, solche, die Dekes Geschwafel zwar unterhaltsam fanden, in ihren Äußerungen aber moderater waren.
“Haben sie das so gesagt, dass ein Neuer kommen soll?” Sie achtete peinlich auf einen neutralen Ton.
“Das nicht, aber ich weiß genau, was dieser Schweinehund vorhat.” Deke stand nun vor der Terrassentür und schaute nach draußen.
“Auf mich hat Dick Rogers immer einen professionellen Eindruck gemacht, Deke. Bist du sicher, dass …”
Er drehte sich um und durchbohrte sie mit einem finsteren Blick. “Auf wessen Seite stehst du eigentlich?”
“Auf deiner natürlich, aber …”
“Also du magst Dickie, hm?”
“Ich kenne ihn kaum, Deke.”
“Vergiss nur nicht, Zuckerstückchen, dass ich es war, der dir bei Channel 3 die Türen geöffnet hat, nicht Dick Rogers. ‘Amber Lifestyles’ war nichts weiter als ein Hobby, und deine einzigen Kunden wären ein paar von deinen Yuppie-Freunden, wenn ich nicht für dich diesen Fernsehspot organisiert hätte.”
“Dass du mir geholfen hast, Deke, habe ich immer anerkannt”, sagte sie mit ruhiger Stimme.
“Wollt ich nur mal gesagt haben!”
Doch ihre Karriere war niemals Hobby gewesen, und dass Deke alles, was sie bisher erreicht hatte, als unwichtig abtat – es sei denn, er hatte seine Hand im Spiel –, ging ihr gewaltig gegen den Strich. In Wirklichkeit hatte sie wie eine Verrückte geschuftet, um “Amber Lifestyles” aufzubauen, und ihren ausgezeichneten Ruf hatte sie sich erworben, bevor Deke es überhaupt gemerkt hatte.
Er schüttelte den Kopf, und seine Übellaunigkeit näherte sich dem Höhepunkt. “Es ist mir unerfindlich, wieso die Elite von New Orleans solch exorbitante Honorare zahlt für den Quatsch, den du dir einfallen lässt.”
Sie kochte innerlich vor Wut. Deke hatte nicht den geringsten Schimmer von gehobener Lebensart, von Kunst, von der Freude an kreativen Dingen und einer Atmosphäre, die Wohnen zum Genuss erhob. Aber sie behielt ihre Gedanken und ihre Meinung für sich. Ein einziges Mal hatte sie sich seiner Arroganz widersetzt und bitter dafür bezahlen müssen. Mittlerweile war ihr gleich, was er dachte, solange er sich nicht einmischte, solange er das, was sie sich mühevoll aufgebaut hatte, nicht gefährdete.
Deke sah zu, wie sie ein paar Illustrierte ordnete und mit einem Briefbeschwerer fixierte. “So, was geht denn nun ab, jetzt, wo Kate ein paar Tage da ist? Wollt ihr raus zum See?”
“Diese Ausflüge zum See vermisse ich schon”, murmelte Amber und sah erneut die Fotosammlung an. “Zuletzt waren wir vor drei Jahren dort.” Eines ihrer Lieblingsbilder zeigte sie selbst und Kate, als sie etwa zehn waren, mit dem Cottage im Hintergrund. Sie räumte Dekes Glasuntersetzer wieder weg. “Kate hat Victoria noch nicht angetroffen. Wenn sie sie erst gesehen hat, wird sie kaum noch Lust zu einer Fahrt an den See verspüren, fürchte ich.”
Er öffnete einen metallenen Aktenkoffer, wobei die Schlösser vernehmlich klickten, und entnahm ihm einige Dokumente. “Gut. Das erspart dir eine Absage. Schließlich bist du kein ’swinging Single’ mehr.”
Sie verkniff sich eine Erwiderung auf diese Stichelei. Deke wusste, dass sie in dieser Richtung gar keine Dummheiten mehr begehen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Er überwachte ihr Kommen und Gehen peinlich genau und verfügte über ein umfangreiches Netz von “Freunden”, die nichts lieber taten, als für ihn ein Auge auf sein “Frauchen” zu haben.
Amber sah zu, wie er die Papiere las, und verspürte nichts als Abneigung. Noch eine Scheidung stand außer Frage. Sie versuchte, sich zu vergegenwärtigen, was sie eigentlich an Deke angezogen hatte. Mit seinen zweiundvierzig Jahren war er ein auffallend gut aussehender Mann. Schwarzes Haar, blaue Augen, all das passte zu dem raubeinigen Charme, den er, wie er behauptete, von seinen italienischen Vorfahren geerbt hatte. In Wirklichkeit, dachte sie, hatte er keine Ahnung von seiner Abstammung. Und obwohl er bei der Arbeit fast ausschließlich saß, sah er immer noch so schlank und robust aus wie
Weitere Kostenlose Bücher