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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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Monaten schwer krank, und du bist nicht ein einziges Mal gekommen. Man
könnte
unter Umständen daraus schließen, dass es dich nicht sonderlich interessiert.”
    Kate stand einen Augenblick da wie von einem Boxhieb getroffen und setzte sich dann blindlings auf irgendeinen Stuhl. “Zehn Monate? Mutter hat das schon zehn Monate?”
    Er beobachtete sie scharf. “Willst du damit sagen, du wusstest es nicht?”
    Sie schüttelte den Kopf. “Ich glaube das einfach nicht. Warum hat sie mir das verheimlicht?”
    “Gute Frage. In der Tat, warum?”
    Kate sprang auf und ging rastlos hin und her. “Weihnachten war sie noch bei mir in Boston. Da sah sie gut aus. Da ging’s ihr auch gut.”
    “Weihnachten …” Sam löste sich von der Tür, setzte sich an seinen Schreibtisch und faltete die Hände. “Da kannte sie ihre Diagnose schon seit zwei Monaten.”
    Kate starrte ihn voller Verzweiflung an. “Sie hat mir nie ein Wort gesagt.”
    “Sie wird ihre Gründe gehabt haben.”
    Was für Gründe? Hatte eine Tochter etwa kein Recht darauf, von ihrer Mutter unterrichtet zu werden? Eine so lebensbedrohliche Krankheit betraf sie doch auch! Was wäre gewesen, wenn sie erst davon erfahren hätte, als es schon zu spät war? Wenn sie nicht nach Hause gekommen wäre? Ohne diese sonderbaren Aussetzer, die sie in letzter Zeit hatte … ohne diesen Schlamassel in der Notaufnahme … Kate schauderte nahezu vor dem Gedanken an das, was alles hätte passieren können.
    “Vielleicht hat sie alles für sich behalten, weil sie sah, dass mit dir irgendetwas nicht stimmte, und sie dich nicht beunruhigen wollte.”
    Sie starrte ihn verwirrt an. “Was denn?”
    “Lief nicht zur gleichen Zeit auch deine Scheidungsgeschichte?”
    Mein Gott, was hatte Leo ihm denn alles erzählt? “Darf ich Mutters Krankenakte einsehen?” Sie ignorierte seine Frage.
    “Kate, du weißt, dass das nicht geht.”
    “Wie bitte?”
    “Du hast richtig verstanden. Die Schweigepflicht. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.”
    “Victoria Madison ist nicht irgendeine Patientin. Sie ist meine Mutter, verdammt noch mal! Ich will nur ihre Akte sehen, mehr nicht!”
    “Euer Verwandtschaftsverhältnis hat mich nicht zu interessieren. Du kriegst die Akte nicht ohne ihre Einwilligung.” Er stand auf, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte. “Mensch, Kate, darüber brauchen wir doch nicht zu diskutieren! Wenn’s jemand anderes wäre, würdest du nicht mal fragen!”
    Kate war verbittert. “Wäre sie bei Leo in Behandlung, wie sie’s eigentlich sollte, hätte ich das gar nicht nötig. Leo würde kein Wort verlieren und sie mir einfach geben.”
    “Genau deshalb ist sie auch zu mir und nicht zu Leo gegangen. Eben aus diesem Grund!”
    “Hör auf!” Kate schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch und holte zitternd Luft. “Herr Doktor, Sie mögen ein Problem damit haben, aber ich brauche die Akte meiner Mutter. Denn ich bin es, der sich um sie kümmern wird, und ich will wissen, wie weit ihre Krankheit fortgeschritten ist. Ich kann Ihre bisherigen Diagnosen und therapeutische Vorgehensweise sehr wohl beurteilen …” Sie brach ab, sprachlos, den Tränen nahe. Gütiger Himmel, was war mit ihr los? Offenbar ging bei ihr nichts mehr, ohne dass sie emotional ins Trudeln geriet.
    “Ach komm, Kate …”
    Sie wirbelte abrupt herum, hastete zur Tür, fasste sich dann und wandte sich um. “Was läuft hier, Sam? Du meinst wohl, wenn du in dieser Sache nur herzlos genug mit mir umspringst, dann lasse ich es bleiben und verschwinde aus deinem Leben wie vor fünf Jahren? Da irrst du dich gewaltig! Hier geht’s um das Leben meiner Mutter, und ich bin darauf vorbereitet, dass das hier länger dauern wird – also, stell dich darauf ein! Und wenn du schon dabei bist, gewöhn dich auch an den Gedanken, dass ich dir hier in der Praxis auf den Zehen stehen werde. Ich nehme Leo beim Wort und fange in eurem tollen Laden an.”
    “Zu dem Angebot hatte er gar kein Recht!”
    “Na schön, wenn du ihm auf seine alten Tage noch den wohlverdienten Ruhestand versauen willst, dann überlasse ich dir die Ehre, es ihm mitzuteilen. Für jemanden, der ohne mit der Wimper zu zucken seine todkranke Frau betrügt, ist es ein Klacks, einem in die Jahre gekommenen Kollegen zu sagen, dass er einen Dreck gibt auf seine Wünsche oder Träume!”
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, riss die Tür auf, stolzierte hinaus, kollidierte dabei fast mit Diane Crawford und

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