Aus reiner Notwehr
sie in die Arme, tröstete sie, streichelte ihr Haar, und in ihren Augen war eine solche Traurigkeit, dass Kate nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte.
Es dauerte einige Zeit, bis Amber sich aus der Umarmung löste. “Ich muss zu ihm.” Sie ging die Treppe hinunter.
Kate folgte ihr und hielt sie an der Haustür an. “Ich habe dir noch immer nicht alles gesagt, Amber. Nick ist auch da draußen, und er und ich … genau wissen wir es nicht, aber … aber Nick meint, dass Deke …” Sie zögerte, doch hinter ihr trieb ihre Mutter sie mit einem Laut der Ungeduld an. “Um Himmels willen, Kate, nun sag es!”
“Es hat ihm niemand die Waffe geraubt und sie gegen ihn gerichtet. Es war kein Mord. Deke hat sich erschossen.”
24. KAPITEL
P amela LaRue befand sich auf dem Weg zum Dienst, etwa eine Dreiviertelstunde vor Beginn der Sieben-Uhr-Schicht, als über Funk der Leichenfund im Auto gemeldet wurde, und sie erkannte sofort, dass die Adresse ganz in der Nähe von Nicks derzeitigem Domizil liegen musste. Also verließ sie sogleich ihre übliche Route und steuerte stattdessen den angegebenen Tatort an, benachrichtigte ihre Dienststelle jedoch erst, als sie sich bereits der Vermilion Lane näherte. Auf diese Weise kam sie Chief Escavez zuvor, der ihr sonst womöglich einen Auftrag weit weg vom Schauplatz erteilt hätte.
Pamela gehörte zu jener seltenen Spezies in der Polizeitruppe, die gerne Gesetzeshüter war, es immer schon hatte werden wollen. Ihr Vater, mittlerweile im Ruhestand, hatte dreißig Dienstjahre auf dem Buckel gehabt, davon allein die letzten zwanzig in der Mordkommission, und ihre Mutter hatte in der Vermittlungszentrale der Polizei gearbeitet. Ursprünglich hatte Pam nach Abschluss der Highschool unmittelbar auf die Polizei-Akademie wechseln wollen, aber auf Anraten ihrer Eltern erwarb sie zunächst ihr Hochschuldiplom an der Louisiana State University. Mittlerweile war ihre Familie nach Bayou Blanc gezogen, also bewarb sie sich dort um eine Planstelle.
Nach ihrer eigenen Überzeugung hatte sie den Job nicht aufgrund ihrer ausgezeichneten Zeugnisse bekommen, sondern weil sie eine Frau war. Chief Escavez hätte sie bestimmt nicht genommen, aber die Regierung kontrollierte streng die Zusammensetzung der Polizeieinheiten bezüglich Integration und Förderung des weiblichen Personals, und Geld sowie zusätzliche Stellen in den örtlichen Dienststellen gab es nur, wenn mehr Polizistinnen eingestellt wurden. In der Hauptwache von Bayou Blanc, einem bis dato ausschließlich männlich besetzten und geradezu unverschämt chauvinistischen Revier, war sie die einzige Beamtin, die sich aber bisher ausgezeichnet geschlagen hatte.
Zwar ging kein Weg daran vorbei, dass sie als junge Anwärterin zunächst die Niederungen des Berufes durchschreiten und Lehrgeld zahlen musste, aber danach wollte sie sich unbedingt zur Kripo versetzen lassen. Ihre Chancen standen nicht besonders gut, solange Howard Sloan etwas zu sagen hatte, das wusste sie sehr wohl. Er war in Personalunion Lakai, Handlanger und Stellvertreter von Escavez, ein Speichellecker par excellence, vom Chief selbst sorgfältigst ausgesucht, weil er ohne Widerrede nach seiner Pfeife tanzte. Mehrere Male hatte Sloan ihr Avancen gemacht, aber seine Art war ihr zuwider; danach entwickelte er sich zu einem regelrechten Fiesling, erst recht, als er merkte, dass sie mit Nick ausging.
Sie bog in die Vermilion Lane, spähte durch die Frontscheibe nach der richtigen Hausnummer und stoppte vor Leo Castilles Haus. Beim Aussteigen zählte sie neun Personen, die sich um einen schwarzen Mercedes drängten und die ihr alle bekannt vorkamen, bis sie begriff, dass es sich um denselben Personenkreis handelte, den sie bereits im Krankenhaus in Verbindung mit Nicks Sohn angetroffen hatte. Sie wurde von Nick empfangen.
“Morgen, Pam. Hast du den Alarmruf bekommen?”
“Ich war zufällig in der Nähe”, log sie und nickte Sam Delacourt sowie Kate Madison zu. Etwas weiter hinten, mit großen Augen, standen Mallory und Cody, abseits von der Gruppe Amber und Stephen Russo, flankiert von Victoria Madison und Leo Castille. Pam hoffte zwar, sie alle vernehmen zu können, aber ganz sicher würde Sloan das an sich reißen wollen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der Leiche im Wagen zu und bat Nick um einen kurzen Bericht.
“Kate und ich, wir haben ihn gefunden”, sagte Nick. “Vor ein paar Minuten erst; offensichtlich Selbstmord, war so gegen sechs Uhr, zehn nach sechs,
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