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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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anderen. Es war genau jene Komplexität, die Auschwitz 1943 für Himmler so interessant machte.
    Während Auschwitz 1943 stetig ausgebaut und erweitert wurde, verloren die Vernichtungslager der »Aktion Reinhard« an Bedeutung. Als es im Herbst 1943 im Todeslager Sobibór in Ostpolen zu einem Aufstand kam, war dies für Himmler nur die Bestätigung, daß die Zukunft des nationalsozialistischen Vernichtungsprogramms in Auschwitz lag. Bezeichnenderweise war es die weitverbreitete Korruption unter den Lageraufsehern, die den Aufstand überhaupt erst ermöglichte. Im Mai 1942 nahm das Todeslager Sobibór seinen Betrieb auf; im September 1943 hatte man einen Großteil der im Generalgouvernement lebenden Juden – rund 250 000 Menschen – in die Gaskammern geschickt. Toivi Blatt war aus der Kleinstadt Izbica in Ostpolen nach Sobibór deportiert worden. Die Geschichte seines Überlebens ist bestürzend und ermutigend zugleich.
    Vor dem Krieg hatten in seiner Heimatstadt etwa 3600 Juden gelebt. Es gab dort wenig offenen Antisemitismus, vor allem nicht für den heranwachsenden Toivi. Sein Vater hatte in der polnischen Armee gedient und war verwundet worden, was der Familie einen gewissen Status in der Stadt verlieh. Doch sobald die deutsche Armee eintraf, änderte sich das Klima schlagartig: »Die [polnische] Bevölkerung merkte auf einmal, daß die Juden Menschen zweiter Klasse waren und daß man mit ihnen machten konnte, was man wollte … Zum Schluß fürchtete ich mich mehr vor meinen eigenen Nachbarn – sie waren Christen – als vor den Deutschen, denn die Deutschen wußten nicht, daß ich Jude war, meine Nachbarn schon.«
    Die Deutschen deportierten die Juden Izbicas nicht in einem einzigen Großeinsatz, sondern in einer Reihe von »Aktionen« im Laufe von mehreren Jahren. Sie rückten gewöhnlich bei Tagesanbruch an und holten eine bestimmte Anzahl von Juden ab, anfangs, um sie als Zwangsarbeiter einzusetzen, ab dem Frühjahr 1942 dann, um sie direkt in die Gaskammern von Sobibór zu schicken. Zwischen diesen Einsätzen konnten die zurückbleibenden Juden relativ unbehelligt ihr Leben weiterführen. Im April 1943 jedoch kamen die Deutschen, um sämtliche Juden in der Stadt zu deportieren. Aber der fünfzehnjährige Toivi, ein kräftiger, sportlicher Junge, versuchte ihnen zu entkommen. Als er die Straßen entlangrannte, sah er seinen alten Schulfreund Janek, einen katholischen Polen, und rief ihm zu: »Janek! Bitte rette mich!« 26 »Klar!« antwortete Janek. »Lauf zur Scheune gleich hinter unserem Haus.« Und so rannte Toivi zur Scheune, entdeckte aber, daß an der Tür ein Schloß hing. »Also ging ich um die Scheune herum. Und da kam plötzlich eine kleine polnische Frau angelaufen und rief: ›Lauf, Toivi, lauf weg! Janek kommt!‹ Wenn Janek kam, wieso sollte ich dann weglaufen? Er würde mir doch das Tor aufschließen. Aber warum war sie dann so aufgeregt? Und als ich mich umdrehte, sah ich Janek mit einem Deutschen auf mich zukommen, der sein Gewehr auf mich gerichtet hatte. Janek sagte zu ihm: ›Das ist der Jude.‹ Ich rief entgeistert: ›Janek, sag ihm, daß du Witze machst!‹ Aber Janek sagte nur: ›Er ist ein Jude. Nehmen Sie ihn mit.‹ Und dann verabschiedete sich Janek mit einem Satz, der mir selbst heute nur schwer über die Lippen kommt … Er sagte: ›Mach’s gut, Toivi. Ich seh dich im Seifenladen wieder.‹ Das war also sein Abschiedsgruß – man erzählte sich damals nämlich, daß die Nazis aus Leichen Seife herstellen würden.« Während Toivi den Freund, der ihn verraten hatte, ungläubig anstarrte, überfiel ihn die Angst: »Ich hatte Angst, daß dies der letzte Tag meines Leben sein könnte. Wenn man jung ist, wenn man fünfzehn Jahre alt ist … da sieht man die Bäume, man sieht die Blumen und man möchte leben.«
    Toivi wurde zum Marktplatz zurückgebracht, wo seine Mutter, sein Vater und sein jüngerer Bruder mit ein paar hundert weiteren Juden standen, von bewaffneten SS-Leuten bewacht. Sie wußten, daß man sie in den Tod schicken würde; seit Monaten gab es Gerüchte über einen Ort namens Sobibór und über das, was dort geschah. Doch als sie an jenem schönen Frühlingsnachmittag um drei Uhr in die Güterwagen stiegen, hatten sie immer noch Hoffnung: »Wenn alles verloren ist und man nichts mehr hat, dann bleibt immer noch die Hoffnung – die Hoffnung bleibt bis zum Schluß … Im dunklen Güterwagen wurde viel geredet: ›Die deutsche Armee wird uns nicht umbringen

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