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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Scheffler
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Tropfen vor wie eine Kanonenkugel, die einem auf den Schädel prallt. Nee, nee, der Artenschutz in allen Ehren, aber von mir aus kann der Kuckuck weg.
    Zum Schluss will ich noch was zu Schnecken sagen, speziell zu Nacktschnecken. Nacktschnecken sind ja wohl das Letzte, was so im Garten herumkriecht. Wer die mal geschöpft hat, muss schon eine abgründige perverse Sau sein. Ich will da keinem bibeltreuen Trottel zu nahe treten, zudem ich ja auch eher an die Evolution glaube. Und ich meine: Wenn die Evolution so etwas Ekliges, Widerwärtiges, Gärtnerfeindliches und Kontraproduktives wie Nacktschnecken hervorgebracht hat, dann muss da einiges verdammt schiefgelaufen sein. Wenn die Evolution sich schon so einen groben Schnitzer erlaubt hat, was ist da noch zu erwarten? Gut, der Igel freut sich und frisst die Schnecken. Aber in meinem Garten wohnt kein Igel! Ich muss die Viecher selbst bekämpfen. Bei feuchtem Wetter töte ich jeden Tag ein paar Hundert Schnecken. Ab in den großen Eimer mit Salzwasser! Aber es werden nicht weniger. Gegen die Evolution oder die Schöpfung anzustinken ist hartes Brot.

Friedhof der Angler
    Über den Kanal, der den Schulzensee mit dem Zemminsee verbindet, verläuft eine Autobahnbrücke. Tag und Nacht donnern Fahrzeuge mit unterschiedlichsten Hubräumen mit variierender Geschwindigkeit über diese breite Brücke der A 13. Wenn ich vor Jahren die Stelle mit meinem Paddelboot passierte (Paddeln ist die einzige Sportart, die ich mit Freude praktiziere), dröhnte es in meinem Schädel, ich machte schleunigst, dass ich mit meinem Boot wegkam und bald schon Rast im Dorfkrug Schwerin. Dort beim Bier ging mir dann ein Bild nicht aus dem Kopf. Das reale Bild eines guten Dutzend Menschen, die an und unter der Brücke saßen und angelten.
    Dass Angeln als Sport gilt, als Körperertüchtigung quasi, eben als Ausgleich zur ansonsten Unterbeanspruchung der Muskeln, ist mir nie verständlich gewesen; ähnlich wie die Hundesportvereine, deren Mitglieder sich treffen und Schäferhunde sowie andere große, bellende Gehwegverschmutzer über Holzwände hetzen.
    Und nun hier unter der Autobahnbrücke saßen die Angler und trieben Sport. Fast regungslos pressten sie ihre Hintern in die Campinghocker, ergriffen höchstens mal eine frische Bierdose aus der Kühltasche neben sich, hielten ihre Ruten ins trübe, ungesund aussehende Wasser und warteten stumm auf den Fisch, während fünf Meter höher ein Lkw nach dem anderen über das Pflaster brauste. Sie sprachen nicht miteinander. Sie hätten sich auch gar nicht verstehen können. Ein wenig abseits gelegen standen ihre Fahrzeuge: Cottbusser, einige aus Teltow Fläming, Brandenburger, Berliner … Nie habe ich jemanden etwas fangen sehen. Sie hätten die morbiden Plötzen, Graskarpfen und Aale wohl auch nicht genießen können. Andererseits: Die Angler, dicke, vom Bier gezeichnete Mittfünfziger und ein paar phlegmatische Jungs, sahen genauso aus, als hätten sie von diesem kranken Fisch aus dem dumpfen Gewässer gegessen. Warum saßen sie hier im Lärm und nicht hundert Meter weiter? Ich erinnerte mich an jenen mysteriösen, verborgenen Ort im afrikanischen Dschungel, an den sich die Elefanten zurückziehen, wenn sie sterben müssen. Vielleicht, so dachte ich im Dorfkrug Schwerin bei meinem dritten Bier, vielleicht liegt dort unter jener Brücke der A 13 Berlin–Dresden der sagenumwobene, von tausend Mythen umgebene, unbekannte Anglerfriedhof. Wenn sie den Tod drohen fühlen, zieht sie eine magische Macht an diesen Ort, wo sie, beinahe regungslos, mit der Angel in der Hand ihr nahes Ende erwarten. – So musste es sein. Es war die einzige plausible Erklärung.
    Später am Abend paddelte ich heim. Es war schon finster. Unter der Brücke leuchteten, schon von Weitem sichtbar, phosphoreszierende Schwimmer an langen Nylonschnüren. Oder waren das die Totenlichter der verstorbenen Angler? Der Nachschein ins ewige Phlegma abwartender Bewegungslosigkeit eingetauchter Seelen? Mir fröstelte. Doch dann sah ich die Schemen der noch immer auf ihren Hockern verharrenden Angelsportler. Ich strengte meine Arme an und vergrößerte eilig die Entfernung zwischen mir und diesem schaurigen Ort.

Überall Punks
    Meine Eltern waren keine Hippies. Meine Eltern haben Ende der 60er-Jahre ein Haus gebaut. Da war ich zwei. Wenn meine Eltern studiert hätten, wären sie sehr wahrscheinlich auch keine Hippies geworden. Ich begrüße das. Denn erstens werde ich irgendwann ein Haus erben,

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