Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten
Denkprozess bei mir in Gang gesetzt. Ich will nicht verallgemeinern, aber diese Bielefelder Punks waren es, die mich ein Stück in Richtung Spießer geschoben haben. Auch bei Partys muss ein gewisses Maß an Ordnung herrschen. Weil das offenbar nicht gelingen kann, habe ich seitdem keine Party mehr veranstaltet. Gelegentlich mal eine Feier, aber keine Party mehr.
Wenn meine Eltern allerdings Hippies gewesen wären – wer weiß, wie es dann gekommen wäre.
Die Hochzeitsfeier
Es gibt Fragen, die kommen zur Unzeit, und es gibt Momente, da sollte man nicht auf Biegen und Brechen Witze machen wollen.
»Warum hast du eigentlich ausgerechnet mich geheiratet?«, fragt sie spät am Abend lustig bei ihrer Hochzeitsfeier. – »Es war gerade niemand anderes da«, könnte er nun antworten, und dies würde als flapsige Bemerkung wohl noch durchgehen. Aber er will es krachen lassen: »Na ja, du hast einen gut bezahlten Job. Deine Eltern haben einen Haufen Geld, und außerdem bin ich dieses ewige Hinterhergelaufe nach den Frauen leid. Jetzt habe ich ständig ein williges Weib im Bett.« Die Männerfreunde brechen in brüllendes Gelächter aus. An sich müsste jedem klar sein, dass er es nicht ernst gemeint hat. Aber alle haben schon ordentlich getrunken, und die frische Ehefrau schaut humorlos und eisig aus blanken Augen ins Nichts: »So.«
Er hätte das nicht sagen sollen, das ist klar. Ein Scherz, der die Grenzen gesprengt hat. Alle haben, wie gesagt, schon allerhand getrunken. Seine Aussage hängt in ihrem Kopf und keimt. Sie denkt an ihre gemeinsamen Stunden im Bett und an seine notorischen Geldprobleme. »Ich schlage vor, wir gehen morgen zum Notar und vereinbaren Gütertrennung«, sagt sie ernst.
»Moment«, fällt er ein, »das war doch nur ein Witz.«
»Das hättest du dir früher überlegen müssen. Und was das Vögeln angeht: Deswegen habe ich dich nicht geheiratet. Da wäre ich schön angeschissen.« Die Freunde schweigen. Eine peinliche Stimmung kommt auf.
»Schatz, es tut mir leid. Das war doch nicht ernst gemeint.« Zu spät.
»Übrigens, dass es auf die Größe nicht ankommt, ist völliger Quatsch. Du schneidest da ziemlich schlecht ab.« So was sitzt. Er schenkt sich einen Whisky ein und denkt nach. Die Freunde grinsen sich an. Die Freundinnen rücken auf der Bank näher an die Ehefrau heran.
»Wenn du ständig nur daliegst wie ein Brett, kann ich auch nichts machen.« – Keine schöne Retourkutsche. Eine Freundin gießt aus Verlegenheit ihr halb geleertes Weinglas wieder voll. Die meisten Gäste zünden sich Zigaretten an. Zwei gehen in Richtung Toilette. Nur ein abseits sitzendes Paar unterhält sich leise, alle anderen schweigen und warten auf den Return.
»Seit ich dich kenne, weiß ich, dass Sex auch nicht alles ist. Jetzt komme ich endlich mal zum Lesen.«
»Jetzt hör doch mal auf!«, sagt er laut. »Ich hab das nicht ernst gemeint. Im Übrigen kannst du mal meine früheren Freundinnen fragen, wie ich im Bett war.« – Schwerer Fehler.
»Ja, wie du warst.«
»Das kann ja eine schöne Hochzeitsnacht werden«, bemerkt ein Gast.
»Halt die Klappe!«, brüllt der Ehemann und stürzt seinen Whisky herunter. »Ich finde, das ist hier nicht der richtige Ort, über solche Sachen zu sprechen.«
»Du hast angefangen.«
»Mann, als Witz! Nun versteh das doch endlich mal!«
»Hinter jedem Witz steckt auch ein Stück Wahrheit.«
»Da werden Weiber zu Hyänen«, grummelt ein Freund. Eine Freundin schüttet ihm ein Glas Wein in den Schoß. Nebengefechte beginnen. Männer und Frauen haben sich inzwischen zu feindlichen Lagern formiert. Ein Freund versucht noch zu schlichten: »Ja, dass der Ferdi das gesagt hat, war echt scheiße, aber er hat sich doch eben entschuldigt. Nun vertragt euch wieder. Schließlich ist das euer Hochzeitstag.«
»Wieso soll ich mich entschuldigen?«, sagt Ferdi. »Wenn Britta ihre zickige Tour draufhat, ist eh alles zu spät.«
»Du Arsch! Kaum hat er geheiratet, lässt er die Maske fallen.«
»Wer lässt hier wohl die Maske fallen? Kann noch nicht mal einen kleinen Spaß verstehen!«
»Du bist so ein Arschloch. Kirsten, kann ich heute bei dir schlafen?«
Unter Zuhilfenahme von zwei Schwangerschaften hat die Ehe noch sechs Jahre gehalten.
Bernauer Straße – Yorkstraße
Ein Bekannter von mir, ein extrem friedfertiger Mensch, jemand, der vermutlich an irgendeiner verborgenen Stelle seines Körpers ein Muttermal in Form eines Peace-Zeichens trägt und über dessen Bett
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