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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Scheffler
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stockdunkel und meine Eltern stinksauer. Ich hatte nicht Bescheid gesagt, man hätte sich Sorgen um mich gemacht, ich hätte ja von der Baader-Meinhof-Bande entführt worden sein können und außerdem: Wie konnte ich nur so viel Geld annehmen, und dann auch noch von Heike, die offenbar keinen guten Ruf in der Nachbarschaft hatte! Als ich beteuerte, das nie wieder zu tun, und außerdem klagte, vom Reiten ohne Sattel würde mir höllisch der Hintern wehtun, wurde auf weitere nachhaltige Strafmaßnahmen verzichtet. Mit Pferden habe ich seitdem nichts mehr zu tun gehabt.

Und – die Mücken?
    »Nehmt bloß genug Mückenzeugs mit. Die fressen euch sonst auf«, sagt meine Mutter, die noch nie in Finnland war.
    »Finnland ist ja sehr schön«, meint ein Freund, »aber die Mücken …«
    »Autan«, sagt eine Freundin, »ist zwar teuer, aber immer noch das Beste.«
    »Sagt auch Stiftung Warentest«, ergänzt eine andere Freundin.
    Ein Nachbar vom Seegrundstück in Groß Köris zeigt mir seine zerstochenen Arme und stöhnt: »Hier ist es an manchen Abenden ja schon schlimm, aber da? Macht euch mal auf einiges gefasst. Ich bin ein alter Mann. Ich hab schon viel gesehen.«
    Seine Frau kommt dazu und schenkt uns einen Karton mit Fliegengitter. »Wegen der Mücken«, sagt sie.
    Mein Vater schickt mir ein Paket mit Ypsilin, das er von seinem ehemaligen Arbeitgeber, den Stadtwerken Gütersloh, bekommen hat. Ypsilin ist ein Antiseptikum zur lokalen Behandlung von, unter anderem, Insektenstichen.
    Ich träume schon davon, wie ich mit von Mückenstichen aufgeschwollenem Gesicht auf der Veranda vom Waldhaus in Toivakka sitze und mir die juckenden Arme und Beine blutig kratze. Wie ich morgens in Autan bade, tagsüber mit einem Imkerhelm herumlaufe, mich nachts hinter Fliegengitter verschanze, aber alles nützt nichts, denn die finnischen Mücken sind klug und geschickt. Die finnischen Kinder haben bei der Pisa-Studie ja auch am besten abgeschnitten. Mich erwartet ein verdienter Urlaub, der zur Erholung dienen soll, sich aber als Marter herausstellt.
    »Besorg dir Reisetabletten«, sagt Mutter, »falls dir auf der Fähre schlecht wird.«
    »Pass auf, von wo der Wind kommt, wenn du kotzen musst«, unterweist mich ein sogenannter Freund.
    Mein Bruder macht mich am Telefon darauf aufmerksam, dass auf diesen Ostseefähren ja gerne mal auf hoher See die Ladeklappe aufgehen würde, und lacht sich anschließend kaputt.
    Ein Nachbar aus Berlin warnt: »Passen Sie auf die Schweden auf. Die klauen wie die Raben. Es heißt ja nicht umsonst ›Alter Schwede‹.« – Ich weiß nicht, woher die Redewendung »alter Schwede« eigentlich kommt. Und dass sie mit Klauen in Zusammenhang steht ist mir vollkommen neu. Ich weiß, dass Finnen gerne saufen, in die Sauna gehen, mit ihrem Handy telefonieren, Holz hacken und den Schweden nicht mögen, aber im Prinzip sind mir Vorurteile fremd. Vor vielen Jahren hat der Schwede einmal Krieg gegen Deutschland geführt, aber jetzt hat er eine deutsche Königin, und alles ist gut.
    »Das wird aber ein teurer Urlaub«, rufen einige Freunde. »Du weißt doch, was der Alkohol in Finnland kostet.«
    »Ja«, sage ich, »ich habe 75 Liter Bier, 20 Liter Wein und fünf Flaschen Kräuterlikör im Kofferraum.« Es wird gestaunt.
    Wir fahren los. Über Rostock, Hanko, Helsinki nach Toivakka; mit Ausflügen nach Yüväskülä, Tampere, Saavonlinna, einigen kleineren Orten mit vielen Umlauten (der Finne liebt Umlaute), Bootsfahrten auf dem See und Pilze-Sammeln am Wegesrand.
    Jetzt, nach sechsundzwanzig Tagen, sind wir wieder da. Aus dem Holzhaus im Wald am See in der teilmodernisierten Altbauwohnung in Berlin-Mitte. Aus der friedlichen Idylle im Moloch Großstadt.
    »Und – die Mücken?«, fragt mein Vater am Telefon.
    »Nein«, sage ich, »kaum Mücken.«
    »Und – die Mücken?«, fragt ein Freund.
    »Ganz wenige«, sage ich, »in Groß Köris sind mehr.«
    »Hast du das Autan mitgenommen?«, fragt eine Freundin.
    »Ja, aber ich habe es nicht einmal gebraucht.«
    »Wie hast du das bloß ausgehalten mit den ganzen Mücken?«
    »Prima, es waren nämlich keine da.«
    »Finnland ist ja toll, aber diese Mückenpest«, behauptet jemand.
    Ich sage nichts.
    »Und wie war es mit den Mücken?«, fragt ein weiterer Freund.
    »Da war keine einzige«, sage ich.
    Noch einer, ein inzwischen ehemaliger Freund: »Und – die Mücken?«
    Ich schreie: »Da waren keine Mücken! Keine Mücken! Keine klauenden Schweden! Und ich musste noch nicht

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