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Auserkoren

Titel: Auserkoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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würde sich Joshua jetzt nicht mehr mit mir treffen wollen. Aber ich musste es ihm zeigen. Ich wollte , dass er auch diesen Teil von mir kennt.
    Er senkte die Stimme. »Wir dürfen keine Bücher haben.
Woher hast du das?« Sanft strich er mit der Hand über den Einband.
    »Wir dürfen uns auch nicht küssen«, sagte ich. »Wir dürfen uns auch nicht heimlich treffen. Ich darf auch nicht mitten in der Nacht bei dir sein.«
    Er antwortete nicht, sondern schlug das Buch auf und blätterte die Seiten durch.
    »Vermisst du das Lesen?« Ich rutschte ein Stück von ihm weg, zwischen uns beiden war das Buch.
    »Wir lesen doch«, sagte er, aber dabei sah er nicht mich, sondern das Buch an.
    »Vermisst du nicht die Romane?«, fragte ich. »Vermisst du nicht die Geschichten?«
    Er schwieg lange. Lange genug, dass Sorge in mir aufkeimte. Ich hatte ihm das Buch gezeigt, und damit hatte ich Joshua etwas gegeben, das ich nicht mehr zurücknehmen konnte. Ich hatte ein Stückchen meiner Freiheit in seine Hände gelegt.
    »Ist ja auch egal«, sagte ich, dem Weinen nahe. Ich griff nach dem Buch, wollte es ihm wegnehmen, aber er ließ es nicht los. Stattdessen schlug er das Buch wieder auf, fuhr über die Seiten, führte es an die Nase. Seine Stimme war leise, als er sagte: »Meine Mutter hat uns immer vorgelesen, wir alle haben uns um sie herum auf das Sofa gesetzt, ich und mein kleinerer Bruder saßen auf ihrem Schoß.«
    Ich flüsterte: »Meine auch.«
    In dieser Nacht lasen wir gemeinsam die ersten vier Kapitel von Heimwärts. Verborgen in der Finsternis unseres Verstecks, hielten wir das Buch so, dass wir dieWörter
lesen konnten, und unsere Stimmen waren so leicht wie der Lufthauch, der über die Wüste wehte.
     
     
    Am Morgen kommt Vater mit Mutter Claire und Mutter Victoria in unseren Wohnwagen. Er kündigt an, dass die Mütter mit mir in die Stadt fahren werden, um einzukaufen.
    »Was denn?«, frage ich. Ich bin noch im Halbschlaf, obwohl ich schon gefrühstückt und mit meiner Mutter und meinen Schwestern die Familien-Bibelstunde abgehalten habe. Ich frage mich unwillkürlich, ob man mir die Küsse ansieht, die ich in der vergangenen Nacht mit Joshua getauscht habe. Sieht man es meinen Lippen an? Habe ich Flecken im Gesicht?
    »Du musst etwas in der Stadt erledigen«, sagt Vater. Er schaut mich dabei nicht an. »Deine Mütter werden dir dabei helfen.«
    Ich gehe niemals in die Stadt. Ich war wer weiß wie lange nicht mehr dort. Männer und Jungen gehen in die Stadt. Frauen und Mädchen und kleine Kinder bleiben hier, wo sie sicher sind.
    Sicher! Pah!
    »Was brauchen wir?«, frage ich. Mir fällt die Steppdecke ein, mit der ich vor so langer Zeit begonnen habe und an der ich seitdem keinen Stich mehr gemacht habe. Handarbeiten mag ich nicht besonders.
    Mutter Claire ist ganz geschäftig, sie reibt sich die Hände, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass etwas daran klebt, das man abwischen müsste. »Stoff für ein
Hochzeitskleid«, sagt sie schnell.
    Mutter Victoria starrt aus dem Fenster hinaus. Meine Mutter neigt den Kopf, sie weicht meinem Blick aus. Vater räuspert sich und sagt: »Ich werde den älteren Kindern sagen, dass sie auf die jüngeren aufpassen sollen, während ihr weg seid.« Dann eilt er hinaus.
    Ein Hochzeitskleid? Bei dem Gedanken verschlägt es mir die Sprache. Aber dann sage ich entschlossen und sehr laut: »Ich will kein Hochzeitskleid.«
    Margaret kommt aus dem Bad und stellt sich neben mich. »Sie will kein Hochzeitskleid«, sagt sie, »ich denke, ihr solltet sie nicht zwingen, eines zu kaufen.« Sie sagt das zu allen drei Müttern. Eine betretene Stille tritt ein. Keine sagt ein Wort. Ich glaube, ich habe Margaret noch nie so aufsässig erlebt.
    »Geh und spüle das Geschirr«, befiehlt Mutter Sarah Margaret. Es kehrt wieder Leben ein im Raum. »Geh auf der Stelle, junge Dame.«
    Margaret zögert.
    »Kyra, mach dich fertig, wir fahren in einer halben Stunde«, drängt Mutter Claire. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Und du auch nicht.«
    Mutter Sarah nimmt mich bei der Hand. »Es wird lustig werden«, sagt sie. Ihre Miene ist starr, ihr Lächeln wirkt aufgesetzt.
    »Sie will nicht verheiratet werden«, sagt Margaret. Sie legt ihre kleine Hand auf meinen Rücken. Mutter beachtet sie nicht, etwas, das sie sonst bei keinem von uns tut.
    »Wir werden zum Essen gehen«, sagt Mutter Victoria. »Zuerst in den Stoffladen. Und dann zum Essen zu
Applebee’s. Dort war ich seit einem Jahr nicht mehr. Na,

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