Ausersehen
ihm immer verpflichtet gefühlt. Dieses Gefühl musste ich nun hervorholen, mit dem Jammern aufhören und meine Arbeit machen.
„Was ist los, meine Süße?“ Ich nahm einen Wasserkrug von einem in der Nähe stehenden Tisch und half dem Kind, einen Schluck zu trinken. Ihre Lippen waren gerissen, schlimme eitergefüllte Pusteln bedeckten ihr Gesicht, ihren Hals und die Arme. Als sie ihren Mund öffnete, um zu trinken, sah ich, dass auch ihre Zunge von roten Bläschen übersät war.
Das Wasser lief ihr über das Kinn, und ich wischte es mit einer Ecke ihrer Decke fort.
„Lässt Epona sich gut reiten?“ Ihre junge Stimme war rau, als würde sie seit zwanzig Jahren rauchen.
„Ja, mein Liebes.“ Vorsichtig tupfte ich ihr Gesicht mit einem feuchten Tuch ab, das mir einer der Assistenten gereicht hatte. „Ihr Gang ist so ruhig, als würde man auf dem Wind reiten.“
„Stimmt es, dass sie mit Ihnen spricht?“
Ihr Blick aus fiebrig glänzenden Augen suchte meinen. Ich erkannte in ihr die Inbrunst der absoluten Pferdenärrin.
„Ich glaube zumindest, dass sie es tut. Sie ist sehr klug, weißt du.“
Die Kleine nickte schwach.
„Wie heißt du, meine Süße?“
„Kristianna“, flüsterte sie.
„Wir treffen eine Vereinbarung, du und ich, Kristianna.“ Sie schaute mir unverwandt in die Augen. „Du wirst wieder gesund, und ich werde dich zu Epona bringen, damit du mit ihr reden kannst. Vielleicht wird sie dir sogar sagen, dass sie gern mal mit dir ausreiten will.“
Beinahe bereute ich, ihr das Angebot gemacht zu haben, denn sie versuchte sofort, sich aufzusetzen.
„Hey! Das bedeutet, dass du dich ausruhen und darauf konzentrieren musst, wieder gesund zu werden.“
Mit einem Seufzer ließ sich das Mädchen in die verschwitzten Laken sinken.
„Göttin“, fragte sie vorsichtig. „Glaubst du, dass sie vielleicht wirklich mit mir reden will?“
Meine Antwort kam von irgendwo tief in mir drin: „Epona hält immer Ausschau nach jungen Menschen, die gewillt sind, sie zu hören.“
„Ich möchte sie hören …“
Ihre Stimme erstarb, als Schlaf – oder Bewusstlosigkeit – sich ihrer bemächtigte.
Ich legte das Tuch nieder und betrachtete traurig ihr geschwollenes Gesicht. „Ich hoffe, dass du sie hören wirst, Liebes“, flüsterte ich.
Ich spürte seine Hitze mich von hinten umfangen, bevor ich ihn meinen Namen sagen hörte.
„Rhea?“
Ich drehte mich um und stieß beinahe gegen ClanFintans muskulöse Brust.
„Hallo.“ Mir war nur zu bewusst, wie ich aussehen musste: wie die rothaarige Stiefschwester von Medusa. Er sah stark und gut und wundervoll aus. Wie immer.
„Wir haben dich beim Treffen der Krieger vermisst.“ Seine Stimme lief mir wie warmes Öl über den Körper.
„Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich, während ich hektisch versuchte, meine Haare in eine gewisse Ordnung zu bringen. Als ich an mir hinunterschaute, bemerkte ich, dass meine Kleidung mit Flecken von Erbrochenem übersät war, und gab es auf.
„Ich hoffe, du hast ihnen erklärt, weshalb ich unabkömmlich war?“
„Ja. Sie haben es verstanden und dein Verantwortungsgefühl gegenüber deinem Volk gelobt.“
ClanFintan hatte mich am Arm genommen und führte mich während unseres Gesprächs in Richtung Tür. Ich sah, dass Carolan ihm zunickte, als er die Tür aufstieß und wir in das schwindende Licht der Spätnachmittagssonne traten, das durch die geschliffenen Fensterscheiben in den Korridor fiel.
Mit einem Mal fand ich mich von den starken Armen des Zentauren umfangen.
„Oh …“ Vergebens versuchte ich, mich zu befreien. „Ich bin ekelhaft schmutzig.“
„Sei still.“ Seine tiefe, hypnotische Stimme brandete über mich hinweg. „Du hast mir gefehlt.“
Das ließ mich nicht gerade zur Ruhe kommen. Er hatte mich vermisst. Ich war mir sicher, ein äußerst dümmliches Lächeln im Gesicht zu haben.
„Und ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“ Er hielt mich auf Armeslänge von sich, damit er mein Gesicht betrachten konnte. „Was ist das für eine Zauberei, von der Alanna mir erzählt hat? Hast du wirklich einen Talisman gegen die Pocken?“
„Ja.“ Ich liebte seinen besorgten Gesichtsausdruck. „Es ist allerdings keine Zauberei, sondern Medizin – glaub mir, es funktioniert. Ich kann keine Pocken bekommen.“
„Gut.“ Er drückte mich an sich, und ich spürte den Druck seiner Lippen auf meinem Scheitel. „Ich möchte nicht, dass dir je ein Leid geschieht.“
„Das möchte ich auch
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