Ausersehen
ganz besondere Schülerin zu unterrichten, eine von denen, die den Lehrer komplettieren. Sarah war klug und lustig und voller Versprechen. Sie war außerdem bekümmerter, als wir alle gewusst hatten. Kurz vor ihrem siebzehnten Geburtstag hat sie Selbstmord begangen. Als ich auf ihrer Beerdigung zum Podium ging, hatte ich mich genauso gefühlt wie jetzt. Ich war mir nur zweier Dinge sicher: dass eine unglaubliche Tragödie passiert war und dass meine Worte nichts daran ändern würden.
„Mylady …“ Die Assistentin klang zögernd. „Das sind die Eltern des Mädchens.“
Ich wandte mich dem Ehepaar zu. Sie hätten die Eltern von jedem meiner Schüler sein können. Sie hielten sich an der Hand, und ihre Ausstrahlung verriet mir, dass sie wussten, was ich ihnen sagen würde, aber verzweifelt hofften, es wäre nicht so.
„Es tut mir leid, aber Ihre Tochter ist heute Abend gestorben.“ Ich wollte weitersprechen, aber die Mutter fing an zu schluchzen. Sie klammerte sich an ihren Ehemann, als könnte sie sich allein nicht mehr aufrecht halten.
Plötzlich richtete sie sich auf und fragte zwischen zwei Schluchzern: „Können wir sie noch einmal sehen?“
Oh Gott, das war ja fürchterlich. Ich konnte ihnen nicht einmal erlauben, ihre Tochter ein letztes Mal zu sehen.
„Ihr Körper trägt immer noch die Erreger der Krankheit in sich. Auf Geheiß von Epona muss sie so schnell wie möglich eingeäschert werden.“ Ihre verzweifelten Blicke ließen mich meine Meinung ändern. „Sie dürfen sie nicht berühren, aber Sie können sich noch von ihr verabschieden.“
Ich bedeutete der Assistentin, die Eltern zu dem Mädchen zu bringen. Bevor sie sich zum Gehen wandten, ergriff der Vater meine Hand.
„Göttin …“, seine Stimme zitterte. „Waren Sie bei ihr, als sie gestorben ist?“
Ich zögerte nicht. „Ja“, log ich. „Ich war an ihrer Seite, genau wie Epona.“
„Danke. Mögen Sie für Ihre Freundlichkeit gesegnet sein.“
Langsam folgten sie der Assistentin, als hätten ihre Körper sich in lebende Steine verwandelt. Dann bemerkte ich, dass es nicht ihre Körper waren, sondern ihre Herzen, die zu Stein geworden waren.
„Rhea, komm jetzt.“ ClanFintan trat aus dem Schatten. Schnell nahm er den Platz vor mir ein, auf dem eben noch die Eltern gestanden hatten. Seine Hand umfasste mein Gesicht, mit dem Daumen wischte er die Tränen von meinen Wangen.
„Komm“, wiederholte er leise.
Ich nickte stumm, und er führte mich fort vom Geruch des Todes.
4. KAPITEL
Ich rieche fürchterlich“, murmelte ich vor mich hin und blinzelte die Tränen weg, während wir den von Fackeln erleuchteten Flur hinuntergingen.
„Das weiß ich – deshalb bringe ich dich ja auch in die Badestube.“
Ich nickte nur und dachte, wie gut es sich anfühlen würde, wieder sauber zu sein. Es würde zwar niemandem wirklich helfen, aber wenigstens meine Moral heben.
Wir gingen schweigend nebeneinander her. Lagerfeuer brannten im Innenhof, und ich konnte die Umrisse der Frauen ausmachen, die über den offenen Flammen das Abendessen kochten. Das Aroma wehte durch die geöffneten Fenster, und sofort fing mein Magen an zu knurren.
ClanFintan unterdrückte ein Lachen. „Das Abendessen wartet in deinem Zimmer auf dich.“
„Danke.“
„Kein Problem.“
„Du fängst an, wie ich zu klingen.“
„Es gibt schlimmere Dinge, wie man klingen kann.“
Ein tiefes Lachen rollte durch seine Brust, und ich spürte, wie der depressive Schleier, der sich über mich gesenkt hatte, sich lüftete. Dieser Mann würde einen wahnsinnigen Vibrator abgeben.
Bevor ich mich versah, standen wir schon vor der Tür des Raumes, der langsam zu meinem Lieblingszimmer wurde. Mir fiel auf, dass die Wachen unter dem besitzergreifenden Blick meines Mannes nicht mal zusammenzuckten.
„Wo ist Alanna?“ Die Tür fiel hinter uns zu, und ich schaute sehnsüchtig auf das dampfende Wasser.
„Sie hat einen Mann, der ihre Aufmerksamkeit erfordert.“ Er lächelte über meine Verwirrung. „Ich werde heute Nacht dein Diener sein.“
Bevor mein müdes Gehirn mit einer witzigen Erwiderung aufwarten konnte, hatte er mein schmutziges Kleid mit einem Ruck in zwei Teile gerissen.
„Huah!“ Er hätte mich wenigstens warnen können.
„Du wolltest es doch nicht behalten, oder?“
Seine Stimme klang beinahe unschuldig, aber nur beinahe.
„Ganz sicher nicht. Oh, und stell bitte sicher, dass das Ding später verbrannt wird. Ich will nicht, dass eines der Mädchen
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