Ausersehen
lächelte ihm über meine Schulter zu, während ich den Raum betrat.
In die Pockenhölle zurückzukehren war ein echter Weckruf. Als Erstes sah ich Carolan, der das Ende eines Leinenlakens langsam über das Gesicht eines der Kinder zog, das zwischen den Schwerkranken gelegen hatte. Ich eilte an seine Seite.
„Sie ist die Erste.“ Seine Stimme war so leise, dass nur ich sie hören konnte. „Aber sie wird nicht die Letzte sein.“
„ClanFintan sagt, dass Zentauren keine Pocken bekommen.“
„Das sind wenigstens mal gute Neuigkeiten. Wusstest du, dass seit heute Morgen zwölf neue Fälle gemeldet worden sind?“
Nein, das hatte ich nicht gewusst. Ich war zu beschäftigt gewesen, mich um das zu kümmern, was direkt vor meinen Augen war. Zwischendurch hatte ich zwar das Gefühl gehabt, dass das Krankenzimmer immer voller wurde, aber das hatte ich auf meine Abneigungen gegen das Krankenschwestersein geschoben.
„Und fünf der sieben schwersten Fälle werden sehr wahrscheinlich die Nacht nicht überleben.“
„Wie steht es um das kleine Mädchen?“ Diskret zeigte ich auf die kleine Pferdenärrin.
Er schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß es nicht, das liegt in Eponas Händen.“
„Verdammt.“
Carolan bedeutet einigen Assistenten, die Leiche wegzutragen.
„Die Leiche ist immer noch ansteckend“, sagte ich.
Carolan sah mich überrascht an, aber er zögerte nicht. „Bringt Sie zu dem an meine Praxis angrenzenden Raum. Wir müssen außerhalb des Tempelgeländes einen Scheiterhaufen errichten, von dem aus wir ihre Überreste zu Epona schicken können.“
Ich zeigte meine Zustimmung zu seinem Vorschlag durch heftiges Kopfnicken. „Epona will, dass alle Opfer der Pocken an einem Ort eingeäschert werden, der nicht innerhalb der Tempelmauern liegt. Sie wird ihre Seelen empfangen, aber sie möchte nicht, dass die Toten die Lebenden anstecken.“
Die Assistenten hoben das kleine Mädchen auf, und wir schauten ihnen so lange hinterher, bis sie durch die Tür verschwunden waren.
Carolan sprach dann eine seiner anderen Assistentinnen an. „Sind die Eltern des Mädchens schon unterrichtet worden?“
„Nein.“
Dieses Mal brauchte ich keine innere Stimme, die mich antrieb. „Das ist meine Aufgabe.“ Ich wandte mich direkt an die Frau. „Bring sie her, ich werde es ihnen mitteilen.“
„Wie Sie wünschen, Mylady.“ Sie knickste und eilte davon.
„Das musst du nicht tun. Rhiannon hätte es auch nicht getan.“
„Ich bin nicht Rhiannon.“ Meine Verärgerung über seinen Kommentar war offensichtlich.
„Nein, das bist du nicht. Verzeih, dass ich euch verglichen habe.“
Obwohl seine Stimme müde klang, hörte ich auch große Wärme darin.
„Ist schon gut.“ Wir lächelten einander an. „Hey, wo wir gerade von deiner Vergesslichkeit sprechen – hast du vergessen, dass heute deine Hochzeitsnacht ist?“ Ich schwöre, dass er unter dem Film von Schweiß und Schmutz errötete.
„Es ist mir vielleicht entfallen.“
„Das könnte dir Ärger einbringen.“
Er schaute sich hilflos um. „Wie kann ich sie jetzt allein lassen?“
„Du hast wundervolle, kompetente Assistenten. Vertrau ihnen. Du musst eine Pause machen, etwas schlafen oder was auch immer.“ Mir gelang ein ermutigendes Grinsen. „Räum auf und geh dann zu ihr. Das Leben ist zu unvorhersehbar, um auch nur einen Moment zu vergeuden.“
„Aber …“, stotterte er.
„Nimm dir acht Stunden. Du wirst deinen Patienten keine Hilfe sein, wenn du zu müde bist, um geradeaus zu sehen. Ich werde noch ein bisschen bleiben und sicherstellen, dass alles reibungslos funktioniert.“
„Rhea, du hast ein gutes Herz, aber du bist nicht erfahren in der Pflege von Kranken.“
„Wem sagst du das, aber mach dir keine Sorgen, ich werde die Arbeit einfach delegieren und mich ansonsten darauf beschränken, göttinnengleich auszusehen.“
„Darin hast du allerdings Erfahrung.“
Ich zog eine Grimasse, und Carolan rief seine Helfer zusammen und gab ihnen Anweisungen. Ich hörte, wie er sie in verschiedene Schichten einteilte, damit sie sich zwischendurch ausruhen konnten.
„Lady Rhiannon?“ Eine zögernde Stimme drang von der Tür an mein Ohr.
Es war die Assistentin, die ich losgeschickt hatte, die Eltern des Mädchens zu holen. Ich konnte die beiden schemenhaften Gestalten im Hintergrund stehen sehen. Tief durchatmend straffte ich meine Schultern und ging zu ihnen.
Während meines ersten Jahres als Lehrerin hatte ich das Privileg, eine
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