Ausersehen
„Darauf gebe ich dir mein Wort.“
„Ich freue mich, dass man sich an meine letzte Aufführung erinnern wird“, sagte sie und sank in die graziöse Verbeugung einer Ballerina.
„Das wird man“, versicherte ich ihr. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit den anderen im Raum zu. „Also dann, auf geht’s“, rief ich, und alle brachen in wilde Aktivität aus.
Sila kam auf mich zu und hielt lange genug inne, um mir einen ledernen Beutel zu geben, der an einem langen Lederband hing. Ich schaute sie fragend an.
Sie sagte leise: „In diesem Beutel befinden sich Salben, die Schmerzen lindern und Wunden schließen können.“ Sie schaute quer durch den Raum zu Dougal. „Trag sie sparsam auf, denn viele werden sie benötigen. Und nimm dir einen Weinschlauch mit, bevor du gehst.“ Sie zeigte auf einen Tisch, auf dem lederne Weinschläuche lagen.
Ich nickte und schlang mir den Riemen über die Schulter, sodass der Beutel an meiner linken Hüfte ruhte. Dann schnappte ich mir einen der Weinschläuche und hängte ihn mir über die andere Schulter. So ausgerüstet half ich den Jägerinnen, die kranken Mädchen auf ihre Rücken zu heben.
Als die letzte Patientin auf Elaine stieg, schaute ich mich im Raum um und sah, dass Sila vier wacklige Mädchen stützte, die langsam in Richtung Hinterausgang stolperten.
„Sila“, rief ich ihr hinterher.
Sie drehte sich um, und ich hörte ihre engelsgleiche Stimme quer durch den Saal: „Ich werde mit diesen Kranken gehen. Wenn die Göttin es will, werden wir uns auf der anderen Flussseite wiedersehen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, führte sie das Grüppchen durch die Tür nach draußen.
„Lady Rhea, wir haben keine Zeit mehr.“ Dougal hielt mir seine zitternde, blutbefleckte Hand hin, um mir beim Aufsteigen zu helfen. Alle Jägerinnen außer Victoria waren schon draußen; das verebbende Echo ihrer Hufe klang durch die leeren Korridore.
Victoria eilte zu mir und schob Dougals Hand beiseite.
„Du bist nicht in der Verfassung, irgendein Gewicht zu tragen“, beschied sie ihm. Dann packte sie meinen Oberarm und warf mich auf ihren Rücken. Als wir in Richtung Ausgang galoppierten, reckte ich meinen Hals und sah gerade noch, wie Melpomene und Terpsichore Hand in Hand inmitten eines Kreises von ungefähr einem Dutzend Mädchen standen, die zu krank waren, um den Tempel zu verlassen. Sie hatten die Köpfe gesenkt und wirkten wie von Licht durchflutet. Dann bogen wir um die Ecke, und sie verschwanden aus meinem Blickfeld.
16. KAPITEL
Die Jägerinnen waren irgendwo außer Sichtweite vor uns, doch Victoria bog zielsicher um Ecken und jagte über Innenhöfe, bis wir endlich das innere Labyrinth des Tempels hinter uns gebracht hatten und uns vor dem Gebäude auf dem Rasen wiederfanden. Wir wendeten uns nach links, aber eine Bewegung zu unserer Rechten erregte meine Aufmerksamkeit.
„Victoria!“, rief ich und zog mit einer Hand an ihrer Schulter, während ich mit der anderen nach rechts zeigte. Dougal und die Jägerin kamen schlitternd zum Stehen und wandten sich in die Richtung, in die ich deutete. Eine zerrissene Reihe Zentauren wurde über die nordwestlich gelegene Rasenfläche gedrängt. Sie versuchten, ihre Stellung zu halten, und ihre Schwerter surrten durch die Luft, als sie eine Kreatur nach der anderen niederstreckten, aber wie ich schon durch das Teleskop beobachtet hatte, tauchte sofort der nächste Fomorianer auf, sobald einer erledigt war. Krallen und Zähne gewetzt, standen sie auf ihren gefallenen Kameraden. Schritt für Schritt schlugen sie die Reihen der Zentauren zurück. Während ich zuschaute, sank ein erschöpfter Zentaur auf die Knie, und sechs Kreaturen sprangen auf seinen Rücken, gruben ihre Klauen in sein Fleisch und färbten sein Fell rot mit seinem eigenen Blut.
„Schnell, zur Brücke!“, rief Dougal. „Die Krieger werden sie so lange wie möglich aufhalten.“ Er und Victoria fielen in gestreckten Galopp.
Wir folgten dem grünen Rasen um eine Ecke und standen plötzlich einer Gruppe von vier Studentinnen gegenüber, die verängstigt in unsere Richtung zurückliefen.
„Halt! Ihr könnt nicht zurück, ihr müsst über die Brücke.“
Victoria und Dougal stellten sich den panischen Mädchen in den Weg und zwangen sie so, anzuhalten.
Das Mädchen, das die Anführerin zu sein schien, schüttelte hysterisch den Kopf.
„D…die sind schon d…da!“ Sie zitterte so sehr, dass sie kaum zu verstehen war.
„Was? Was soll das heißen?“, fragte
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