Ausersehen
aufgehört hatten zu zittern.
„Besser?“, fragte sie.
„Ja, liebe Freundin, danke dir.“
Sie saß im Schneidersitz neben mir am Beckenrand, tauschte meinen Wasserkelch gegen einen mit Wein aus und zog den Teller mit den Früchten in Reichweite. Ich lächelte sie dankbar an und schob mir ein Stück Melone in den Mund. Ich kaute langsam und ließ den süßen Saft meine Zunge waschen.
„Es tut so unglaublich gut, wieder zu Hause zu sein.“
„Gibt es keine Möglichkeit, dass wir hierbleiben können?“
Ihre Worte erinnerten mich daran, dass Dougal von ClanFintan angewiesen worden war, die Menschen auf die andere Seite des Flusses zu evakuieren.
„ClanFintan glaubt nicht.“ Bilder von der Zerstörung am Tempel der Musen kamen mir in den Sinn. „Und ich denke, er hat recht. Hat noch jemand vom Tempel es bis hierher geschafft?“
„Ja, kurz vor Tagesanbruch kam heute eine große Gruppe, die von zentaurischen Kriegern und fünf Jägerinnen begleitet wurde. Carolan hat sich um die Verletzten gekümmert, und nun ruhen sich alle aus. Victoria und Dougal sind kurz nach ihnen angekommen und haben uns die Nachricht überbracht, dass wir den Tempel verlassen müssen. Am frühen Abend sollten wir so weit sein, über den Fluss zu setzen.“
„War Thalia bei der Gruppe?“
„Ja. Ihr geht es gut.“
„Sila?“ Ich hielt den Atem an.
„Nein“, erwiderte Alanna traurig. „Niemand hat gesehen, dass sie den Fluss überquert hat.“
„Und es sind keine weiteren Zentauren zurückgekehrt?“
„Doch. Eine Gruppe ist heute Morgen kurz nach Dougal und Victoria angekommen. Sie haben Menschen begleitet, die sehr schlimm unter den Pocken litten.“
„Also wie viele Zentauren sind jetzt wieder hier?“
„Nach letzten Zählungen etwas über dreihundert“, antwortete Alanna sanft.
Von eintausend Zentauren hatte nur ein Drittel überlebt? Das war einfach unvorstellbar. Ich schloss die Augen und betete, dass noch mehr Zentauren lebten und dass sie sich gerade auf dem Weg zu sich nach Hause befanden.
„Meine Krieger?“, wollte ich wissen.
„Zwei Schuten mit jeweils fünfzig Kriegern sind ausgefahren, nur eine Schute ist zurückgekommen. Die Krieger sagten, die Kreaturen haben sie schon erwartet, als sie von Bord gingen.“ Ihre Stimme klang hohl.
„Woulff und McNamara?“
„Sie kamen zu spät. Connor hat die Nachricht geschickt, dass sie gezwungen waren, sich zurückzuziehen. Sie haben viele Männer verloren.“
Ich atmete tief ein. „Das ist ein absoluter Albtraum.“
„Es muss doch eine Möglichkeit geben, ihnen Einhalt zu gebieten“, stieß Alanna verzweifelt aus.
„Ja, und die werden wir auch finden.“ Sogar in meinen Ohren klangen meine Worte leer.
21. KAPITEL
Mit frischer Kleidung und sorgfältig gekämmten Haaren, außerdem zwei Gläser Wein und viele leckere Früchte im Magen, fühlte ich mich nicht mehr ganz so niedergeschlagen. Alanna setzte mir das Diadem auf, und Arm in Arm gingen wir zu meinen Gemächern. Wir waren beinahe da, als eine kleine Magd angerannt kam und sich unterwürfig vor mir verbeugte.
„Vergeben Sie mir, Mylady, aber es gibt ein Problem in der Wäschekammer. Einige Laken haben Feuer gefangen. Es ist schon wieder gelöscht worden, aber jetzt herrscht dort großes Chaos und Verwirrung darüber, was getan werden soll. Und Una streitet sich mit Nora darüber, wer verantwortlich ist“, fügte sie an Alanna gewandt hinzu.
Bevor ich reagieren konnte, lächelte Alanna das Mädchen an und sagte: „Ich komme gleich.“ Sie drehte sich zu mir um und schloss mich kurz in die Arme. „Ich werde mich darum kümmern. Carolan wird deinen Mann sicher bald entlassen. Die Speisen für euch beide stehen bereit. Ich werde später am Abend noch einmal wiederkommen.“ Sie folgte dem Mädchen den Flur hinunter.
Meine Wache öffnete mir die Tür zu meinem Gemach, und als sie hinter mir ins Schloss fiel, merkte ich, dass ich ein wenig Zeit für mich allein gut gebrauchen konnte. Der Raum sah willkommen heißend und vertraut aus. Das Bettgestell war entfernt worden, und an seinem Platz lag hübsch zurechtgemacht unser „Marshmallow“. Die Vorhänge waren halb zugezogen, das verlieh dem Zimmer ein heimeliges Licht, bei dem ich mich am liebsten mit einem Buch und einem Glas Wein in einen Sessel gekuschelt hätte. Der Tisch bog sich unter den auf ihm abgestellten Speisen, deren köstliche Gerüche verführerisch in meine Nase stiegen. Mein Magen knurrte, und ich eilte schnell zu den
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