Ausersehen
gerade eine neue Frisurenmode.“ Kein Kommentar von Epi. Ich denke, sie war einfach nur höflich.
Zeit für eine neue Melodie.
Ich war gerade zur Hälfte fertig mit „Bezaubernde Jeannie“, als Epi aus dem Trab in eine seltsame Gangart fiel. Es fühlte sich an, als würde sie versuchen, auf Zehenspitzen zu gehen, oder in ihrem Fall besser gesagt auf Hufspitzen. Ich zog die Zügel an, damit sie stehen blieb, und stieg schnell ab.
„Was ist los, Epi?“ Ich klopfte ihren Hals, und sie schüttelte rastlos den Kopf. „Lass mich mal sehen.“ Regel Nummer eins bei Pferden: Im Zweifel immer erst mal die Hufe ansehen. Ich nahm ihr linkes Vorderbein in die Hand, schnalzte mit der Zunge und sagte: „Gib’s mir.“ Als wundervoll gehorchendes Tier, das sie war, hob sie natürlich sofort den Huf. Er sah normal aus. Mit meinen Fingern pulte ich einige kleine Steine und einen Klumpen Dreck heraus. Vorsichtig drückte ich dann meine Daumen auf das Strahlpolster.
Es schien in Ordnung zu sein. Ich arbeitete mich von einem Bein zum anderen um Epi herum, und alles war okay, bis ich zu ihrem rechten Vorderhuf kam. Als ich hier auf das Polster drückte, zuckte sie zusammen und stieß einen kleinen Schmerzenslaut aus. Zur Beruhigung tätschelte ich ihren Hals, dann zupfte ich etwas Gras und Dreck von ihrem Huf. Die Daumen etwas höher an dem weichen V ansetzend, drückte ich noch einmal. Dieses Mal stöhnte sie lauter, und ich spürte unnatürliche Wärme und Weichheit unter meinen Daumen. Vorsichtig setzte ich ihren Huf wieder ab.
„Zitier mich besser nicht, ich bin kein Tierarzt, aber ich denke, du hast dir da was geprellt.“ Ich versuchte, meine Stimme unbekümmert klingen zu lassen, damit dieses ungewöhnlich kluge Pferd nicht mitbekam, wie verdammt besorgt ich über diese Wendung der Ereignisse war. Ich schaute auf ihr Bein. Es war offensichtlich, dass sie es nicht voll belastete. „Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber es scheint, als hättest du Schmerzen.“
Sie stupste mich mit der Nase an.
„Dachte ich mir.“ Ich rieb ihren Kiefer, und sie drückte ihren Kopf gegen meine Hand. „Also sollte ich dich vermutlich besser nicht reiten. Wie wäre es, wenn wir uns eine nette kleine Lichtung suchen, vielleicht etwas weiter flussabwärts, wo das Ufer nicht so steil ist, und uns ein Weilchen ausruhen?“
Langsam ging ich voran und spürte, wie Epi unter Schmerzen hinter mir her humpelte. Sie drückte ihren Kopf an meinen Rücken, genau zwischen die Schulterblätter, und ich plapperte weiter vor mich hin, um uns beiden die Nervosität zu nehmen. Ich war froh, dass sie meine hektischen Blicke nicht sehen konnte, mit denen ich die vor uns liegende Landschaft nach einem flachen Uferstück absuchte. Ich wusste, dass ich sie nah ans Wasser bringen musste. Nicht nur, damit sie trinken konnte, sondern wir mussten uns um den Huf kümmern. Ich kramte in meinem Kopf wie verrückt nach alten Erste-Hilfe-Anweisungen für Pferde, die ich irgendwann mal gespeichert hatte. Ich hoffe nur, dass sie nicht in dem Teil des Gehirns gelagert waren, den meine Vorliebe für Rotwein getötet hatte. Ich meinte mich daran zu erinnern, dass Epis Symptome darauf hinwiesen, dass man ihren Huf kühlen sollte. Wenn ich sie dazu bringen könnte, sich für zehn Minuten oder so in den Fluss zu stellen, würde die Schwellung vielleicht zurückgehen und mit ihr der Schmerz. Dann könnte sie sich ausruhen, und ich würde versuchen, mir zu überlegen, wie es weitergehen sollte.
Flüchtig dachte ich, wie nett es wäre, wenn ClanFintan jetzt mit einem Rettungstrupp ankäme, aber das war natürlich unmöglich. Der Zentaur war schwer beschäftigt, die Leute zusammenzutrommeln und sich der Kreaturen-Krise zu stellen – eine sich unerlaubt von der Truppe entfernt habende widerwillige Braut war nicht wichtig. Und überhaupt, ich bin noch nie eine von den Frauen gewesen, die ihr Leben darauf ausrichteten, dass irgendwann der Ritter in schimmernder Rüstung auf seinem Schimmel vorbeikommt, um sie zu retten. In meinem speziellen Fall führte diese ganze Mann-Pferd-Geschichte sowieso nur dazu, dass ich meine Metaphern unbeabsichtigt durcheinanderbrachte. Was der Englischlehrerin in mir wiederum Kopfschmerzen verursachte.
Zumindest hatte ich das Glück auf meiner Seite, denn wir waren noch nicht weit gegangen, da kamen wir an eine scharfe Rechtskurve. Hier standen weniger Bäume, und der grasbedeckte Boden fiel sanft zum munter fließenden Fluss ab.
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