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Ausersehen

Ausersehen

Titel: Ausersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
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Ausschnitt und zog einmal daran. Er war nicht dumm und bedurfte keiner weiteren Aufforderung. Ich war überrascht, wie weich seine Lippen sich anfühlten, als sie auf meine trafen – sie waren wärmer als die Lippen eines Mannes. Und, verdammt, er war groß. Seine Arme umfingen mich, und es fühlte sich an, als würde die Welt sich in seinem Kuss auflösen. Einen Moment lang vergaß ich alles, abgesehen von seinen Armen und Lippen und der Wärme seines Mundes, als seine Zunge meine fand.
    Das Trommeln der Hufe eines schnell herannahenden Zentauren zerstörte den Zauber. ClanFintan ließ mich los – widerstrebend, wie ich gern denke –, und wir wandten uns Dougal zu, um seinen Bericht anzuhören.
    „Wir konnten keine weiblichen Leichen finden, Mylord.“ Der junge Zentaur sah aus, als wäre er an diesem Abend um zehn Jahre gealtert. „Aber wir haben Spuren gefunden, die nach Norden in den Wald führen. Zwischen den Fußspuren der Kreaturen waren kleinere – wie von weichen Sandalen, die getragen werden von …“
    „… Frauen und Mädchen“, beendete ClanFintan den Satz.
    „Ja, Mylord. Sie haben nicht versucht, ihre Spuren zu verwischen. Es sieht aus, als wollten Sie uns wissen lassen, was sie getan haben und wo sie zu finden sind.“
    „Sie haben schon lange aufgehört, sich zu verstecken.“
    ClanFintan sprach mit solch einer Sicherheit, dass ich ihn überrascht anschaute.
    „Woher weißt du das?“ Ich fühlte mich ihm immer noch so nah, dass ich das unpersönliche Sie nicht über die Lippen brachte.
    Er schaute mich an und lächelte, um Entschuldigung bittend. „Das erkläre ich dir später.“
    Und das würde er verdammt noch mal auch besser tun.
    Er wandte sich wieder an Dougal. „Bleib mit Lady Rhiannon hier, während ich zur Burg zurückkehre, damit wir dort beenden können, was getan werden muss.“
    Ich fing an zu protestieren, aber er legte mir einen Finger auf die Lippen, um mich zum Schweigen zu bringen.
    „Ohne dich werden wir schneller sein. Ich will mich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr hier aufhalten.“
    Da musste ich ihm zustimmen.
    „Pass auf sie auf“, befahl er Dougal, gab mir dann einen kurzen Kuss auf die Hand, drehte sich um und galoppierte zurück zur Burg.
    Ich beneidete ihn nicht um die vor ihm liegende Aufgabe.
    „Mylady …“ Dougals jugendliche Stimme klang schüchtern und zögernd. „Kann ich Ihnen etwas Wein anbieten?“ Er hielt mir einen Weinschlauch hin, der an seinem Rücken befestigt gewesen war.
    „Ja, vielen Dank.“ Ich nahm einen großen Schluck und starrte hinüber zur Burg. Ich konnte sehen, wie die Zentauren Leichen über den Hof zerrten. Sie hatten das Festmahl der schwarzen Vögel unterbrochen, die nun aufgeregt über der Burg kreisten. Ihre gierigen Schreie wurden vom Wind zu uns herübergetragen. Krähen haben mir schon immer Gänsehaut verursacht – jetzt wusste ich, wieso. Ich trank noch einen Schluck und spülte den Geschmack des Todes mit dem Wein fort. Blinzelnd zwang ich mich, meinen Blick von der Burg zu lösen, und betrachtete die Schaumkronen auf den ans Ufer brandenden Wellen unter mir. Schroffe Felsen ragten am Rand der Klippen dramatisch hervor, und ich verspürte mit einem Mal den Drang, hinunterzuklettern und die salzige Brise den Geruch nach Tod und Verwesung aus meiner Kleidung waschen zu lassen.
    Ich war nur ein paar Schritte gegangen, als ich Dougals Hufe hinter mir hörte. Ich sprach ihn über die Schulter an: „Ich will nur ein wenig auf einem der Steine sitzen.“
    Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er an meinen Absichten zweifelte.
    „Ich verspreche, mich nicht hinunterzustürzen.“ Er sah immer noch nicht überzeugt aus. „Ich werde in Sichtweite bleiben.“
    Die Steine waren wesentlich glatter, als sie aus der Entfernung gewirkt hatten, und ich hatte Schwierigkeiten, Halt für meine Zehen und Finger zu finden. Ich suchte mir den kleinsten Stein aus und machte es mir darauf gemütlich. Auf das Wasser schauend, löste ich meinen Zopf, schüttelte mein Haar aus und schob es von meinen Schultern. Ich strich mit den Fingern hindurch, zwang den Wind, den Geruch von Verwesung mit sich zu nehmen. Dann trank ich noch einen Schluck und sprach ein ernsthaftes Dankgebet an Gott oder Epona oder wer auch immer die Weintrauben erfunden hatte.
    Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte in der hartnäckigen Brise. Das Ufer weit unter mir war wild und gefährlich. Wellen brachen sich an zerklüftetem Stein. Es gab keinen

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