Ausersehen
über die Felder.
Die Zentauren arbeiteten hart; ClanFintans Körper glänzte vor Schweiß, auch wenn sein Atem ruhig und regelmäßig ging. Sein Durchhaltevermögen erstaunte mich, und meine Gedanken kreisten eine Weile um diese interessante Tatsache, ohne dabei zweideutig zu werden (na gut, beinahe). Ich versuchte, einfach nur ruhig zu sitzen und mich festzuhalten – und keine Last zu sein. Meine Pinkelpausen reduzierte ich auf ein Minimum, und mein Dörrfleisch kaute ich im Sattel sitzend.
Als der Tag voranschritt, setzte leichter Nieselregen ein, und der Nebel wurde immer dichter. Die Welt schrumpfte auf die paar Meter um uns, die wir sehen konnten. Man bekam den Eindruck, dass wir endlos auf der Stelle galoppierten. Die Zeit verlor jegliche Bedeutung. Ich fing an zu fantasieren, dass die Welt in dieser anderen Dimension einfach aufhören könnte zu existieren und ich für immer in diesem Moment gefangen wäre – bis in alle Ewigkeit reisend und doch niemals irgendwo ankommend. Ich spürte, wie ich zu einer Seite rutschte, und riss mich schnell wieder nach oben in der Hoffnung, dass ClanFintan es nicht mitbekommen hatte.
Zumindest schien sich durch diese Bewegung die Welt wieder zu drehen.
„Schling deine Arme um mich und schließ die Augen. Ich werde dich nicht fallen lassen.“
Seine Stimme klang noch nicht mal angestrengt, als er über seine Schulter zu mir sprach. Er wäre sicher einer der Besten im Aerobic-Kurs. Wobei ich ihn mir nicht in enger Hose vorstellen konnte.
Ich unterdrückte ein Kichern und erkannte, dass ich vor Erschöpfung schon ganz albern wurde, wodurch ich mich schlecht fühlte, denn immerhin war er es, der die ganze schwere Arbeit leistete.
„Mach ruhig, ruh dich aus. Du hast letzte Nacht viel zu wenig Schlaf bekommen.“
Seine Stimme war tief und hypnotisch. Ich rutschte ein Stück nach vorne, bis ich nah an seinem Rücken saß, dann schlang ich meine Arme dankbar um seine Taille und lehnte meinen Kopf in das Tal zwischen seinen Schulterblättern. Wenn ich ihm nahe genug war, würde er vielleicht die bizarren Gedanken vertreiben, die mir durch den Kopf gingen. Seufzend schloss ich die Augen. Ich atmete tief ein und genoss seinen Geruch. Seine Lederweste war angenehm weich unter meiner Wange. Seine Wärme brannte durch die kühle Feuchtigkeit des Tages, und ich spürte, wie die gleichmäßige Bewegung mich in Halbschlaf wiegte, ähnlich wie das Rattern der Zugräder, das Passagiere zu nachtschlafender Zeit einlullte.
Irgendwann öffnete ich einmal kurz die Augen und sah, dass es inzwischen vollkommen dunkel geworden war. Die Zentauren galoppierten immer noch mit unvermindertem Tempo. Ich spürte, dass ClanFintans stetige Atemzüge tiefer geworden waren. Als ich mein Gewicht verlagerte und mich wieder an ihn kuschelte, drückte er beruhigend meinen ihn umfassenden Arm.
„Schlaf.“
Dieses eine Wort war wie eine Droge, und ich entspannte mich wieder in meinem seltsamen Halbschlaf.
Das nächste Mal erwachte ich davon, dass er von Galopp in Trab und schließlich zu Schritt wechselte. Ich richtete mich auf und rieb mir das Gesicht. Die Luft war immer noch feucht und kalt, aber die Dunkelheit wich langsam dem Grau des anbrechenden Morgens. Teresa, meine irisch-amerikanische Freundin aus meinem letzten – und liebsten – Schreibkurs am College, hatte dafür den Ausdruck „morgendliches Zwielicht“ geprägt.
Bis zu diesem Augenblick hatte ich nie verstanden, wieso.
„Wo sind wir?“ Blinzelnd schaute ich mich in der magischen Nebelwelt um und versuchte, meine Haare irgendwie zu bändigen. Mir fiel auf, dass sich ClanFintans Zopf auch fast aufgelöst hatte, und so zog ich das Band aus seinen Haaren und flocht ihm einen neuen Zopf.
„Es ist nicht mehr weit zu deinem Tempel.“
Besorgt bemerkte ich, dass seine Worte angestrengt klangen. Ich konnte sogar das schwere Atmen von Connor und Dougal hören, die neben uns waren.
Ich hielt inne, vergaß den hübschen Morgen und schaute zwischen Connor und Dougal hin und her. „Geht es euch gut? Sollen wir anhalten und eine Pause machen?“ Dann versuchte ich, um ClanFintan herumzuschauen, indem ich ihn am Zopf zog, damit ich sein Gesicht sehen konnte. „Willst du, dass ich eine Weile zu Fuß gehe?“
Die Antwort der drei Zentauren bestand in einheitlichem Schnauben. Dougal und Connor kamen ein bisschen näher an ihren Herdenführer heran und bedachten ihn mit besorgten Blicken – wie ich fand … bis sie anfingen zu
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