Ausersehen
Vater vor mir Stammesführer war.“
Ich nickte, als ob ich wüsste, wovon zum Teufel er da redete.
Er fuhr fort: „Vor beinahe genau einem Jahr fing mein Vater an, sich seltsam zu benehmen. Anfangs waren es nur kleine Veränderungen. Er entwickelte neue Gewohnheiten. Zum Beispiel schlief und wachte er zu seltsamen Zeiten. Andere Gewohnheiten änderte er, nur Kleinigkeiten, die lediglich seiner Familie und engen Beratern auffielen. Dann wurde es immer schlimmer. Er schien ungewöhnlich ruhig, beinahe, als wäre er konstant tief in Gedanken versunken. Langsam wurden seine Probleme immer offensichtlicher. Die Zeit schritt voran, und er zog sich mehr und mehr zurück. Es war, als lebte er in einer eigenen dunklen Welt, wo das Böse hinter jedem Baum lauerte und alte Freunde mit Argwohn betrachtet werden mussten.“
ClanFintan machte eine Pause. Die Erinnerung an den Niedergang seines Vaters war offensichtlich schmerzvoll für ihn, aber er fing sich wieder und erzählte weiter: „Wie du vielleicht weißt, wählt die Fintan-Herde ihren Anführer, wie wir unsere Schamanen wählen – nicht durch Blut und Vererbung, sondern durch Übereinstimmung und eine spirituelle Berufung. Es ist nicht schändlich für einen Zentauren, wenn er, nachdem er eine lange Zeit geherrscht hat, zur Seite tritt und seine restlichen Jahre als hoch geschätzter Berater verbringt, um jüngeren und fähigeren Vertretern zu erlauben, seine Position zu übernehmen. Wenn ein Zentaur aber gezwungen wird zu gehen, weil er …“ Sein Blick war gequält, und er konnte den Satz nicht beenden. „Eine größere Schande kann es nicht geben.“
Sein Gesicht wurde wieder zu einer undurchdringlichen Maske. „Die Herde fing an, das Vertrauen in ihren Anführer zu verlieren, und er wusste es, schien aber die Kontrolle über das verloren zu haben, was ihn umfing. Die Situation wurde untragbar. Es lag nur an der großen Liebe und dem Respekt, die er sich im Laufe der Jahre verdient hatte, dass niemand sich gegen ihn wandte. Dann, er war nur noch ein Schatten seiner selbst, berief er den Rat der Krieger ein, was alle Familienoberhäupter an einen Tisch brachte. Er begrüßte sie nur noch mit einem Hauch seiner alten Würde. Er sprach von Träumen und Visionen, die ihm aus seinem Bett gefolgt waren, bis ihr Übel ihn völlig durchdrungen hatte. Grausame Visionen von Blut und Tod, sie kreisten alle um die Wachtburg, um dann ihre Finger nach Partholon und der Ebene der Zentauren auszustrecken und uns alle in die Dunkelheit zu ziehen.“
Seine Stimme erstarb, die Erinnerung an dieses traurige Ratstreffen führte ihn gedanklich weit weg.
„ClanFintan.“ Sanft sprach ich ihn an; ich konnte seine Trauer um seinen gefallenen Vater so gut nachvollziehen.
Sein Gesicht wurde für einen Augenblick weich, dann straffte er die Schultern und beendete seine Geschichte: „Der Rest ist schnell erzählt. Ein Teil des Rates hielt ihn für verrückt und legte ihm nahe, seinen Posten als Herdenführer aufzugeben. Die anderen glaubten ihm und verlangten, dass etwas unternommen werde, um die Quelle des Bösen zu finden. Die Stimmen teilten sich genau halbe-halbe auf, und es gab eine Pattsituation, bis man sich zu einem Kompromiss entschloss.“ Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. „Sie beriefen mich auf den Posten des Herdenführers, um meinen Vater zu ersetzen. In einem Punkt waren sich alle einig: Ein Herdenführer, der auch ein Hoher Schamane war, sollte in der Lage sein, die Wahrheit herauszufinden.“
Damit schloss er, aber meine Intuition flüsterte mir zu, dass es noch mehr gab, was ich wissen musste. „Warum warst du inmitten all dieser Turbulenzen so sehr darauf erpicht, mit mir eine Handfeste einzugehen?“
„Mein Vater hat mich nach meiner Ernennung noch einmal zur Seite genommen. Ich hatte Schwierigkeiten, ihn zu verstehen, aber er bestand darauf, dass ich Eponas Hilfe bräuchte, um das Böse zu bekämpfen. Ich musste Eponas Auserwählte zu meiner Verbündeten machen, der alten Tradition der Hohen Schamanen folgen und mich mit Eponas Geliebter paaren.“ Er ließ meinen Blick nicht los. „Auch wenn du sehr deutlich gemacht hast, dass du mit der Tradition gebrochen hattest. Er sagte mir, ich solle mich an deinen Vater wenden und ihm alles erklären, dann würde MacCallan mir die Erlaubnis geben, dich zu heiraten, auch wenn du weiterhin darauf beharren solltest, die Tradition nicht zu befolgen. Aus Liebe und Respekt deinem Vater
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