Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
Gästebad.
Wie praktisch.
Ein kleiner weißer Tisch mit Stuhl gegenüber vom Bett rundete das Sommerensemble perfekt ab. Auf dem Tisch befanden sich in einer gelben Vase ebenfalls frische Abigails. Ich hätte nicht gedacht, dass sich Pink so gut mit Gelb vertragen würde, aber es verlieh dem Ganzen einen wirklich besonderen Glanz. Über dem Tisch hing ein Bild mit ebenfalls weißpinkfarbenen Rosen, und daneben sorgte eine filigran wirkende Schrankwand mit Flatscreen-Fernseher und Ministereoanlage für bestes Home Entertainment.
„Meinst du, Franziska hätte was dagegen, wenn ich hier einziehe? Gegen Mietbeteiligung selbstverständlich?“, fragte ich mit großen Augen und hatte Mühe, meine Begeisterung im Zaum zu halten. Diese Umgebung wirkte einfach zu traumhaft auf mich. Wie ein heißer Sommertag in der Sahara, wenn man mal von den Rosen absah.
„Frag sie selbst“, schmunzelte Alan und bot mir an, mich frisch zu machen, während er unten in der Küche Franziska zur Hand gehen wollte. Dankbar nahm ich an, schloss hinter ihm die Tür und ging schnurstracks ins Bad. Auch dort befand sich neben weißen Fliesen und gelben Wänden eine Vase mit Rosen. Es sah beinahe aus wie in einem Wellnesstempel.
Als ich mich nach dem Entkleiden in die Dusche begab, blitzte lediglich für einen kurzen Augenblick die Erinnerung an mein letztes Erlebnis in einer Nasszelle auf. Zu wohl fühlte ich mich in diesem Haus, sodass ich einfach nur das heiße Wasser auf meiner nackten Haut genoss und für eine kurze Weile alle belastenden Gedanken zur Seite schob.
Alle Gedanken bis auf einen.
Daron.
Wenn doch nur Daron jetzt bei mir sein könnte.
36
Auf dem Weg nach unten empfing mich bereits auf halber Treppe der Duft von würziger Tomatensoße und knusprig gebackenem Teig. Mein Magen reagierte sofort und knurrte mit einer Inbrunst, dass ich dachte, man könnte ihn von hier bis nach Italien hören.
Lachen ertönte aus der Richtung, in der die Küche lag, und vermischte sich mit dem Geklapper von Besteck und Geschirr. Langsam schritt ich die Treppe hinunter und wollte gerade zum Ursprung des leckeren Duftes vorstoßen, als ich Alan und Franziska vor dem Spülbecken stehen sah, den Rücken mir zugewandt. Franziska wusch per Hand eine Schüssel ab, während Alan sie von hinten an der Taille umarmte und ihr irgendwas ins Ohr flüsterte. Ihrem Grinsen nach zu urteilen musste es etwas sehr Privates sein. Sie wirkten so vertraut und liebevoll in ihrem Umgang miteinander, dass mir umso mehr bewusst wurde, warum Alan einen Annäherungsversuch gestartet hatte. An sich paradox, wenn man sich das unter normalen Bedingungen vorstellte, aber hier war ja nichts mehr normal.
Jemanden zu finden, mit dem man eine solche Art der Vertrautheit genießen konnte, war ein ganz besonderes Geschenk und leider viel zu selten auf dieser Welt. Einmal gefunden, sollte man es so lange wie möglich festhalten. Ich hatte zwar sowieso beschlossen, Alan nichts nachzutragen, doch als ich ihn so zusammen mit Franziska sah, verstand ich seine Beweggründe noch besser und stellte mir im Geiste vor, es wären Daron und ich, die dort an der Spüle standen. Alan hatte recht gehabt – ich hätte für Daron und mich genauso gehandelt. Da ich mich allerdings langsam wie ein Voyeur fühlte und den beiden ihren privaten Moment lassen wollte, drehte ich mich leise um und wollte gerade in Richtung Wohnzimmer schleichen, als mir etwas kleines Pelziges wie ein geölter Blitz durch die Beine schoss. Vor Schreck quiekte ich schrill wie ein Ferkel und taumelte mit dem Rücken gegen die Wand. Nur eine Sekunde später erschien Alan in der Küchentür und sah mich fragend an.
„Aline, alles in Ordnung?“
Ich fasste mit beiden Händen ins Gesicht und rubbelte kurz, aber heftig über meine Augen, um den ersten Schreck zu verdauen.
Was war das bloß gewesen?
Mit immer noch schnell pochendem Herzen blickte ich Alan an.
„Mich hat gerade was Felliges über den Haufen gerannt“, sagte ich und musste einmal schlucken, da sich in meiner Kehle schlagartig Trockenheit breit gemacht hatte. Das passierte mir in letzter Zeit wirklich verdächtig oft.
Auf Alans Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
„Ja, wenn es Essen gibt, ist Victor kaum zu bremsen“, lachte er, legte mir einen Arm um die Schulter und dirigierte mich direkt in die Küche hinein, wo er mir links an einer Art kleinen Tresen einen dieser hohen Bistrostühle zurechtrückte. Artig platzierte ich meine vier Buchstaben
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