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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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hier bleiben, eines ist ihnen gemeinsam – sie haben auf ihrer Reise neben ihrer Weiterbildung eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. So wie dein Vater, Aline.“
    Wie paralysiert saß ich mit offenem Mund im Bett und lauschte gebannt Darons Ausführungen. Meine Hand ruhte weiterhin auf seiner Brust, und ich konnte sein Herz stark und schnell darunter schlagen spüren. Er war offensichtlich genauso aufgeregt wie ich.
    „Welche Aufgabe hatte mein Vater?“, fragte ich vorsichtig, und meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    „Den Mann zu stoppen, der betrunken hinter dem Steuer des Busses saß.“
    Daron machte eine kurze Pause und fuhr sich angespannt mit der freien Hand durchs Haar, während er mit der anderen immer noch meine auf sein Herz gedrückt hielt.
    „Es ist nicht leicht, das für Außenstehende zu erklären, Aline. Von Zeit zu Zeit geschieht es, dass sich eine Seele zu früh auf den Weg zurück macht, obwohl sie noch nicht dafür bereit ist. Ähnlich, wie wenn du nach einer Krankheit wieder arbeiten gehst, obwohl du genau merkst, dass du noch nicht ganz gesund bist. Das passiert einfach, denn auch die Natur macht Fehler. Diese verirrten Seelen haben dann die größten Schwierigkeiten, sich hier zurechtzufinden, und suchen meist verzweifelt nach einem Weg zurück. Der Busfahrer, der deinen Vater überfuhr, war eine verirrte Seele, die nur deshalb trank, weil sie tief in ihrem Innern wusste, dass sie noch nicht bereit für dieses Leben gewesen war. Und dass sie vergessen hatte, sich vor ihrer Reise eine Aufgabe zu erwählen. Oder sie hatte sich eine Aufgabe gewählt und schaffte es aufgrund der fehlenden Rekonvaleszenz in der Anderswelt nicht, sie zu erfüllen. Solche Seelen begehen aus ihrer Verzweiflung heraus dann oftmals die Sünden, für die meine Brüder zuständig sind. Sie begehen sie in der unbewussten Hoffnung, dass wir sie bald holen kommen und erlösen werden. Es ist eine Art Hilfeschrei nach Befreiung aus einem Dasein voller Frust und Verzweiflung. Denn ohne Aufgabe, ohne Schicksal, das sich erfüllt, kann kein Leben existieren. Dein Vater, Aline, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieser verirrten Seele Einhalt zu gebieten. Er hatte sein Schicksal schon besiegelt, bevor er überhaupt geboren wurde.“
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und musste mich kurz räuspern. Mein Hals brannte wie Feuer, und der Schmerz in meinem Kopf drohte, sich immer weiter auszubreiten. Einen Augenblick lang sah ich Daron nur an, betrachtete seine scharfen Züge, seine vollen Lippen und seine schimmernd grünen Augen. Dann begann ich vorsichtig, mit meinem Daumen über die Stelle zu streicheln, unter der sein Herz gegen seine Brust schlug.
    „Hat er sehr leiden müssen?“, fragte ich leise.
    „Nein“, lächelte Daron, „ich habe ihm den Übergang so leicht wie möglich gemacht. Wie ich schon sagte, wir sind keine Henker. Wir sind Erlöser.“
    Ein weiterer Gedanke formte sich in meinem Kopf.
    „Wenn dem so ist, dass jeder von uns eine Aufgabe zu erfüllen hat – ist es dann meine Aufgabe, dich zu lieben und für eine neue Generation der Ewigen zu sorgen?“
    Ein Lächeln huschte über Darons Gesicht und glättete die Sorgenfalten auf seiner Stirn.
    „So könntest du es sagen. Es ist die Aufgabe, die du dir selbst ausgesucht hast, bevor du deine Reise in diese Welt angetreten hast. Genauso, wie ich es mir ausgesucht habe, das zu sein, was ich bin, auch, wenn wir uns bewusst nicht daran erinnern können. Es hat seinen Grund, dass wir im Hier und Jetzt von unseren Entscheidungen in der anderen Welt nichts mehr wissen. Wir sollen unbelastet auf den neuen Weg gehen und so viel wie möglich wieder mit nach Hause bringen.“
    „Nach Hause…“, wiederholte ich leise.
    „Nach Hause“, sagte Daron und nahm mein Gesicht in beide Hände.
    Mein Herz machte einen Satz, und fast sah ich es schon auf dem Boden herumkullern. Darons Augen schimmerten so grün … Ich hätte geradezu in ihnen ertrinken können. Vorsichtig berührte er mit seinen Lippen meinen Mund und küsste mich so sanft, dass es mir war, als würde er mit einer Feder über meine Lippen streichen. Ich schmeckte seinen süßen Kuss und roch dabei den Duft von Wald und Morgentau an seinen Händen, während seine Haare das Aroma der Sonne verströmten. Es war ein solch sinnliches Erlebnis, dass ich am liebsten in ihn hineingekrochen wäre, um mich in seinem Inneren schnurrend wie ein Kätzchen zusammenzurollen und dort für immer geborgen zu

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