Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
für Make-up-Notfälle. Ein Tiegelchen Feuchtigkeitscreme war ebenso mein ständiger Begleiter wie Make-up, Concealer und Mascara. Zudem hatte ich mir erst vor Kurzem ein kleines Reisezahnputzset zugelegt, weil das Essen in der Kantine immer einen so komischen Nachgeschmack hinterließ. Wie froh war ich jetzt über diese Investition. Eine kleine Bürste, ein Minihaarspray und ein Parfümzerstäuber mit meinem Lieblingsduft rundeten das Ensemble komplett ab. Als ich mich zehn Minuten später erneut im Spiegel ansah, war ich mit dem Ergebnis durchaus zufrieden.
In der obersten Schublade der kleinen Kommode befanden sich diverse Seifen und Shampoo. Die Aspirin lagen in der hinteren Ecke, und ich genehmigte mir gleich zwei davon. Sollte man eigentlich nicht auf nüchternen Magen, aber ich bekam ja sowieso gleich etwas zu essen. Den durchgeschwitzten Jogginganzug legte ich zusammengefaltet neben die Badewanne auf den Boden. Ich fühlte mich eklig und musste mich unbedingt waschen, wollte aber auf keinen Fall wieder unter die Dusche gehen. Da war ich jetzt doch ein bisschen paranoid.
Hey, wer konnte mir daraus einen Vorwurf machen?
Gott sei Dank hatte die Wanne einen separaten Duschkopf, sodass ich mich dort schnell abbrausen konnte.
Danach schlüpfte ich in einen kleinen, schwarzen Satinmorgenmantel mit goldenen Stickereien an den Ärmeln, der neben einem größeren, gleichfarbigen Mantel hing. Es war Darons Mantel, den er gestern Nacht in der Küche getragen hatte, und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu berühren und mein Gesicht in ihm zu vergraben. Darons Geruch, der sich mit keinem auf der Welt vergleichen ließ, stieg mir in die Nase und brachte meine Wildkatze erneut dazu, sich schnurrend in meinem Bauch zu strecken.
Super, Aline, gestern erst eine Runde Sex, dann eine Beinahe-Vergewaltigung, und trotzdem bist du schon wieder spitz. Angesichts des Sachverhalts schämte ich mich ein klein wenig vor mir selbst, konnte es aber trotzdem nicht ändern. Sobald ich Daron auch nur roch, verließ das Blut mein Gehirn und staute sich einige Etagen tiefer mit einem aufregenden Prickeln an. Ich zwang mich, den Morgenmantel loszulassen, und setzte mich für einen Moment auf den Badewannenrand, um die vergangenen Ereignisse zu rekapitulieren. Ich war also die Geliebte des reinen Todes, der mich erst nach einer Art Aufnahmeprüfung offiziell zu seiner Frau und der Mutter seiner Kinder machen durfte.
Ich und Kinder.
Ha!
Welch Ironie.
Kinder waren für mich bisher nie ein Thema gewesen, einige fand ich durchaus nett, die meisten aber hielt ich für lästige Schreihälse.
Na, ist doch so.
Und dann gleich acht auf einen Schlag! - Danke fürs Gespräch.
Bei dem Gedanken daran musste ich lachen und stellte mir vor, wie es mit Daron und mir als Kopf einer solchen Rasselbande wohl aussehen könnte. Wo würden wir überhaupt leben? Blieben wir hier oder musste ich mit ihm in seine Welt? Wo war die überhaupt und wie sah sie aus? Und, verdammt noch mal, wieso tauchten ständig, wenn mir eine Frage beantwortet wurde, dafür gleich zwei neue auf?
Genervt schloss ich die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Memo an mich selbst: Ich musste Daron fragen, ob der Tod wenigstens irgendwo auf der Welt ein Grundstück mit Meerblick besaß. Für das Opfer, Achtlinge austragen zu müssen, sie zu wickeln, zu stillen und aufzuziehen, durfte er nämlich schon ein bisschen was rüberwachsen lassen. Und sich am Haushalt beteiligen. Hatte der Tod eigentlich eine Putzfrau?
„Aline, bleib sachlich!“, ermahnte ich mich selber und schaute vom Badewannenrand aus in den großen Spiegel gegenüber. Gut, das mit den Kindern konnte man später immer noch ausdiskutieren. Das Hauptproblem war eher, dass ich erst einmal so weit kommen musste. Es gab sieben Brüder, und für mindestens sechs von ihnen war ich potenzielles Frischfleisch. Bei Alan war ich mir nicht ganz so sicher. Er hatte sich heute Nacht rührend mit Daron um mich gekümmert, sodass ich mir das nicht wirklich vorstellen konnte, aber gut, man steckte ja nie im Kopf eines anderen drin. Und erst recht nicht im Kopf von jemandem, der einem mit einem bloßen Fingerschnipser das Licht ausblasen konnte. Apropos Licht: Im gleichen Moment ging mir eines auf: Ich wusste ja nicht einmal, wie das jetzt alles ablaufen sollte. Was für Regeln gab es, worauf musste ich achten?
Komm schon Aline, immer eins nach dem anderen! Daron wird dir schon mitteilen, wie es weitergeht.
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