Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
blickte von einem Bett zum nächsten und fand sie allesamt leer vor. Bis auf das Letzte hinten links.
Mir stockte der Atem.
In diesem Bett lag Mael.
Beinahe zerbrechlich und außergewöhnlich bleich lag er dort, sein blondes Haar durch einen lockeren Zopf an der Seite gebändigt. Überall an seinem Kopf und Körper waren Kabel und Pads angebracht, und neben seinem Bett stand ein Herzmonitor, der die piepsenden Geräusche von sich gab. Am Fußende des Bettes hing ein halb voller Urinbeutel.
Ich war Mael wirklich nicht sonderlich zugetan, aber ihn so zu sehen, das war trotz allem, was er mir angetan hatte und hatte antun wollen, nur schwer erträglich. Mein Magen krampfte sich zusammen, und leichte Übelkeit stieg in mir auf.
„Alles in Ordnung, Aline?“, fragte Daron, während er einen Arm um mich legte.
Ich brachte keinen Ton hervor, sondern starrte weiter auf den nahezu leblosen Körper. Maels Gesicht war stellenweise blau und grün verfärbt, dort, wo Daron ihn mit seiner Faust getroffen hatte. Einige verkrustete Blutreste hingen noch in seinen Mundwinkeln. Ein kurzes Nicken, das war alles, was ich zustande brachte. Hätte ich meinen Mund geöffnet, ich hätte mich auf der Stelle übergeben.
„Na, wenn das mal nicht das heiß umkämpfte Objekt der Begierde ist“, hörte ich in dem Moment eine weibliche Stimme fröhlich hinter uns trällern und drehte mich um. Vor mir stand eine hübsche, junge Frau mit einer randlosen Brille, die ihre blauen Augen besonders stark betonte. Ihre braunen Locken hingen ihr wirr vom Kopf herab. Natur, ganz eindeutig. Kein Friseur der Welt bekam solch eine Mähne hin. Sie konnte nicht viel älter als ich sein und lächelte mich aus ihrem sommersprossigen Gesicht an, als sie mir die Hand reichte.
„Hallo, ich bin Dr. Stein. Und du musst bestimmt Aline sein. Bitte, nenn mich Franziska.“ Ihr Lächeln wirkte aufrecht und echt, sodass ich ihr höflich, wenn auch zögerlich die Hand gab.
„Ja, bin ich. Woher wissen Sie …?“
„Ach, die Buschtrommeln funktionieren ausgezeichnet“, lachte sie, um sich an Daron zu wenden und ihm einen Klaps auf die Schulter zu geben. „Verdammt, Daron, musstest du ihn gleich so zurichten?“
Das klang schon nicht mehr ganz so freundlich.
Darons Miene verdunkelte sich, und ich merkte, wie mich wieder ein leiser Eishauch strich. Hier unten war es sowieso nicht gerade warm, und es fröstelte mich leicht.
„Er hat versucht, Aline zu vergewaltigen. Welche Strafe hat er deiner Meinung nach dafür verdient?“
Hatte ich gedacht, es sei kühl gewesen, so hatte ich mich gründlich geirrt. Gegen die Kälte, die jetzt aus Darons Stimme sprach, war selbst der Nordpol ein Tropenparadies.
Das Lächeln schwand, und Entsetzen breitete sich stattdessen auf Dr. Steins Gesicht aus. In Sekundenschnelle blickte sie zu mir und wieder zurück.
„Oh … das tut mir leid. Ich wusste nicht, was genau passiert ist. Alan hat nur erwähnt, dass ihr euch wegen deiner neuen Freundin gestritten habt.“
Mit diesen Worten wandte sie sich wieder mir zu. Es war ihr sichtlich peinlich.
„Geht es dir gut?“
Echte Sorge lag in ihrer Stimme.
Ich nickte.
„Ja es geht schon, es ist nichts weiter passiert.“
„Äußerlich magst du vielleicht unversehrt geblieben sein, aber eine versuchte Vergewaltigung ist eine traumatische Erfahrung, die keine Frau einfach so wegsteckt. Manchmal bahnt sie sich erst Monate oder Jahre später ihren Weg an die Oberfläche. Darf ich?“, fragte sie und fasste mit einer Hand an mein Gesicht, um vorsichtig mit dem Daumen mein Lid anzuheben. Mit der anderen Hand zog sie einen kleinen Leuchtstift aus ihrem weißen Kittel und leuchtete mir erst in das eine, dann in das andere Auge.
„Gut, so weit alles in Ordnung“, sagte sie, „aber versprich mir, wenn sich bei dir Schwindel, Herzrasen und Panikzustände bemerkbar machen, kommst du zu mir. Verstanden?“
Ich war zu perplex, um zu erwidern, dass ich sie weder kannte noch wusste, was für ein Doktor sie überhaupt war, sodass ich einfach nur nickte. Das wurde langsam zu meinem Standardprogramm. Hilfe suchend blickte ich Daron an. Er verstand auf Anhieb und drückte mich nur umso fester in seinen Arm.
„Franziska ist eine ausgezeichnete Ärztin. Sie dient unserer Familie seit vielen Jahren, so wie Ihre Vorfahren vor ihr auch schon. Du kannst ihr ruhig vertrauen.“
„Viele Jahre?“, fragte ich verwirrt und blickte in Franziskas nahezu faltenfreies Gesicht. „Ein Medizinstudium
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