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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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allgemeines Gemurmel hob an, Clara stand auf.
„Vielleicht sehen wir uns jetzt die Bänder von der Vernehmung gestern Abend an,
damit sich alle ein Bild machen können“, sagte Kranich. Clara sah Margot
dankbar an.
Das Telefon klingelte.
„Ja, sie steht neben mir.“ Clara reichte Kranich den Hörer. Es war dieser Mann
von der Spurenermittlung, Richard. Selbst seine Stimme klang erloschen.
Kranichs Miene hellte sich von Sekunde zu Sekunde auf.
„Gute Arbeit“, sagte sie schließlich. „Wir kommen.“
Kranich legte den Hörer auf. Alle starrten sie an.
„Das war 's.“ Sie ließ sich in den Lederstuhl fallen. „Im Waschkeller von Maliks
Mutter haben sie das T-Shirt gefunden. Es handelt sich um das Blut von Helga
Kramer.“
Sie sah in die Runde. Es würde noch ein paar Minuten dauern, bis die Anspannung
in ihren Gesichtern dem guten Gefühl wich, einen Fall in gerade mal 48 Stunden
aufgeklärt zu haben.

20
    Es war der bisher heißeste Tag in diesem Sommer gewesen. Die
dicken Steinmauern des Landeskriminalamts hatten die Hitze nicht mehr abhalten
können, doch niemand hatte sich über die schwüle Luft beklagt. Obwohl, wie
Kranich an diesem Tag noch oft betont hatte, „so etwas immer passieren konnte“,
waren sie alle erleichtert, auch die Hauptkommissarin, dass weder vonseiten des
Polizeipräsidenten noch von der Staatsanwaltschaft ein Untersuchungsausschuss
zum Selbstmord von Raul Malik einberufen worden war. Den ganzen Tag über waren
Berichte getippt worden, Akten vervollständigt und der Satz, dass sich so etwas
selbst bei hohen Sicherheitsvorkehrungen nicht verhindern lasse, machte die
Runde. Erika und Norbert Lechmeier hatten sich bestürzt und zugleich befriedigt
darüber gezeigt, dass der Mörder „seine gerechte Strafe“ erhalten habe.
Christine Berger war verstummt und hatte – wie Clara meinte, durch das Telefon
gehört zu haben – vor Erleichterung geweint.
Niemand zeigte mehr daran Interesse, am allerwenigsten Kranich, den Unfalltod
von Gregor Kramer erneut aufzurollen. Die Beerdigung von Helga Kramer würde am Freitag
in Leipzig stattfinden. Clara überlegte, hinzufahren, auch wenn Margot das
sentimental fand.
Mit der Hitze hatte sich die Betriebsamkeit des Tages gelegt. Es war kurz nach
halb neun, als Hagen an die Bürotür der Hauptkommissarin klopfte.
„Setz dich.“ Ohne aufzusehen, wies sie auf den Stuhl ihr gegenüber.
Kranich saß am Schreibtisch über ein Schriftstück gebeugt. Hagen bemühte sich,
nicht hinzusehen, doch unter dem dünnen Shirt zeichneten sich ihre Brustwarzen
ab. Sie trug keinen BH. Ihre Brüste waren klein wie die eines Mädchens, die
Oberarme waren klar definiert, die Haut gebräunt.
„Ich bin gleich fertig.“
In dem Raum war es noch immer schwül wie in einer Sauna. Hagen fokussierte die
Kaffeemaschine, um nicht auf die erbsengroßen Erhebungen zu starren. In seinem
Rücken löste sich ein Schweißtropfen. Er spürte, wie er hinunter glitt.
Hagen wusste, was ihn erwartete: eine Moralpredigt. Er kannte das Gerede über
unzulässige Verhörmethoden, über das Recht des Täters auf menschenwürdige
Behandlung, auch wenn der gerade ein paar Menschen zu Tode gequält hatte.
Sein Fuß begann wie eine Nähmaschine auf und ab zu hämmern.
„Gleich“, knurrte Kranich. Sie schien nicht gut aufgelegt zu sein.
Clara war bereits nach Hause gegangen. Leonhard auch. Sie waren allein.
Hagen erinnerte sich an den 24. Dezember. Alle hatten Urlaub beantragt, nur er
und Kranich konnten dem Weihnachtsfest nichts abgewinnen. Weihnachten sei ein
Tag wie jeder andere, meinte Kranich; nur dass sich die Leute an diesem Tag
doppelt so oft die Köpfe einschlugen. Hagen hatte ihr zugestimmt. Gegen Abend
waren sie zu einem Tatort nach Spandau gerufen worden. Ein älterer Mann und
eine blutjunge, thailändisch aussehende Frau lagen tot auf dem Teppichboden
eines Wohnzimmers. Das Feuer im Kamin brannte noch. Die Frau lag mit
gespreizten Beinen da, der Mann kniete über ihr, sein Penis und seine Hoden
hingen herab. Jemand maß die Körpertemperatur des Mannes rektal. Kranich hatte
ihm ausführlich erklärt, weshalb sie davon ausging, dass in diesem Fall der Geschlechtsverkehr
einvernehmlich stattgefunden habe.
Die ganze Nacht hatte er daran denken müssen und an ihren Blick, als sie seine
Erregung gespürt hatte.
„Du weißt, warum ich mit dir sprechen will?“
Sie sah so plötzlich auf, dass er sich ertappt fühlte. Er schüttelte den Kopf.
Kranich nickte.
„Ich brauche jetzt nicht das

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