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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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jemanden um: Sie rächt sich an
der Frau, die ihr den Mann weggenommen hat.“
„Stella Krefeld?“ Kranich sah ihn an.
„Genau.“ Hagen nickte.
„Ein Rachefeldzug einer gekränkten Seele also.“ Margot ließ Hagen nicht aus dem
Blick. „Wir behalten das im Hinterkopf.“
„Gibt es was Neues von Lilly oder Sebastian?“, fragte sie ihren Sekretär.
Leonhard überflog seine Notizen. „Das Rot ist ein sogenanntes Magnetrot. Das
ist in jedem Schreibprogramm zu finden. Lilly hat den Virus nachprogrammiert,
er ist wirklich relativ einfach gestrickt. Fast jeder hätte so was programmieren
können, wir können also von einem Laien ausgehen.“
Er blickte wieder in die Notizen. „Sebastian konnte mit dem Mann sprechen, den
Stella Krefeld laut ihrer Freundin Judy Anspach verdächtigt hat, die Mail
geschickt zu haben. Er heißt Benjamin Kaiser und war zutiefst schockiert über
Stellas Tod. Er stritt vehement ab, mit den E-Mails etwas zu tun zu haben. Zur
Tatzeit war er mit zwei Freunden im Kino und danach noch was Trinken. Das wurde
überprüft. Er kann es nicht gewesen sein.“
Herr von Bödefeld, nickte Clara. Die Täter lösen sich in Luft auf.
Blieb nur noch die Chinesin.
„Entschuldigung“, räusperte sich Leonhard plötzlich. „Aber ich glaube, ich habe
da was gefunden.“
Clara sah ihn an. Sie konnte an seiner Stimme hören, dass es etwas Wichtiges sein
musste.
„Also ich habe doch die Sitzplatzreservierung überprüft, im ICE. Dann hab ich
das abgeglichen mit ...“ Er schaute kurz zu ihr auf.
„Ich glaube, wir haben den Mann.“ Leonhards Gesicht war gerötet.
„Tim Ellenkamp befand sich im gleichen ICE wie Helga Kramer. Tim Ellenkamp hat
sich die letzten Tage nachweislich in der Staatsbibliothek Potsdamer Straße
aufgehalten. Tim Ellenkamp ist vorbestraft wegen Körperverletzung. Tim
Ellenkamp schreibt im Internet zahlreiche Kommentare, die ihn als verwirrten Geist
ausweisen. Die Botschaften würden zu ihm passen. Und außerdem –“
Leonhard war nach vorne gegangen und pinnte ein Foto des Mannes an die Wand.
„Außerdem wohnt Tim Ellenkamp im Weinbergsweg in Mitte. Von da aus ist es nur
ein Katzensprung in das Internetcafé. Vielleicht hat er sich ja von außen in
das W-LAN-Netz eingeloggt, wenn die Bedienung sich nicht an ihn erinnern kann,
möglich wäre es.“
Leonhard sah zu Clara.
„Alle Achtung“, sagte Kranich und nickte Leonhard anerkennend zu.

32
    Clara trommelte mit den Fingerkuppen auf das Lenkrad, im
Takt des klagenden Saxophons, bei dem Kranich das Radio lauter gestellt hatte.
Seit zwanzig Minuten glitten sie lautlos durch die Straßen Berlins. Die Lichter
der Nacht und ihr einvernehmliches Schweigen hatte Clara in einen Zustand melancholischer
Nachdenklichkeit versetzt.
Zum zweiten Mal an diesem Tag steuerte sie den schwarzen Audi auf den Rosenthaler
Platz zu. Die Ampel ging auf Rot. Eine Gruppe Studenten kam aus der
U-Bahn-Station, einer schwenkte eine Flasche Sekt in der Luft, ein anderer
breitete die Arme aus wie ein Flugzeug. Sie würden auf eine Party gehen, in
einer kaum eingerichteten Wohnung herumstehen, reden, rauchen, zu viel Alkohol
trinken und in einem kleinen Raum, in dem jemand mit einem iMac Musik machte,
gelangweilt tanzen.
Das Saxophon heulte auf.
Ein Mann mit stierem Blick ging auf die Gruppe zu, die Gruppe teilte sich, um
ihn durchzulassen. Der Mann rempelte ein Mädchen an. Alle waren froh, als er
vorüber war.
„Bald knallt es.“ Kranich hatte die Szene auch beobachtet.
Clara fuhr wieder an. Links tauchte das Café Oberholz auf, die Fenster waren
hell erleuchtet. Es hatte noch geöffnet. Franz Biberkopf fiel ihr wieder ein,
der wieder „ein guter Mensch“ hatte werden wollen, nachdem er seine Freundin
erschlug.
Das Saxophon überschlug sich vor Leidenschaft.
Clara wechselte die Fahrbahn und kam vor der nächsten roten Ampel wieder zum
Stehen. Sie beobachteten die Taxen an der Kreuzung, ein Kiosk war noch offen,
ein Mann im grauen Kapuzenshirt ging mit einem Kampfhund spazieren. Die
Tristesse eines realistischen Gemäldes lag über dem Ganzen. Clara setzte den
Blinker und bog rechts in den Weinbergweg ab. Im Rückspiegel stand der Alex
unecht wie ein Souvenir für Touristen.
„Da drüben ist es.“ Kranich schaltete das Radio aus. Eine Tram ratterte den
Berg hinauf und nahm die letzten Menschen mit. Clara parkte den Audi unter
einer verlassenen Straßenlaterne.
Das Haus gehörte zu den wenigen nicht renovierten Häusern in der Gegend, die
Rollläden im

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