Ausflug ins Gruene
äh–« Mir wurde bewußt, daß Schwester Wulfhilde mich für einen Gelegenheitsstotterer halten mußte. Aber daß ich so spontan eine Zusage abgeben sollte, das war einfach zuviel.
»Wissen Sie, mir liegt daran, die Stelle möglichst schnell zu besetzen. Es ist schlimm genug, daß es durch unglückliche Umstände bei uns mitten im Schuljahr zu einem solchen Stundenausfall kommen mußte. Das bringt nur Unruhe in den reibungslosen Ablauf des Schulalltags. Sie verstehen?«
Ich verstand überhaupt nichts.
»Unglückliche Umstände? Wie meinen Sie denn das?«
»Ein tragischer Unfall, der einen geschätzten Kollegen das Leben kostete.« Schwester Wulfhilde blickte so untröstlich, daß ich nicht wagte, weitere Fragen zu stellen. Ganz abrupt blickte sie mir dann fröhlich in die Augen.
»Vielleicht brauchen Sie noch etwas Bedenkzeit?« Schwester Wulfhilde hatte meine Gedanken tatsächlich erraten. »Dann rufen Sie mich bitte morgen gegen Mittag an und geben mir Bescheid, ja?« Wenngleich mir auch diese Frist gnadenlos kurz erschien, wollte ich nicht noch einmal widersprechen. Ich verabschiedete mich brav und fuhr ab. Schwester Wulfhilde lächelte mir noch nach, als ich bereits mit dem Auto den Parkplatz verließ.
2
Meine zweite Ankunft im Sauerland wurde musikalisch von Bob Marley untermalt, der gerade im Radio I shot the sheriff sang. Leider verstand ich den Song nicht als Botschaft. Ich war viel zu sehr mit mir selbst und meiner neuen Heimat beschäftigt. So betrachtete ich argwöhnisch meine neue Umgebung, die bei leichtem Nieselregen den Charme eines Edgar-Wallace-Schauplatzes hatte. Trotz dunstiger Sichtverhältnisse war am Horizont in alle Richtungen dunkler, dichter Wald erkennbar. Berge und Wälder waren die Markenzeichen des Sauerlandes, hatte ich mir sagen lassen. Ein wahres Wanderparadies! Genau das Richtige für mich, dachte ich ironisch. Als ’eingefleischter Wandervogel’ würde ich die Gegend hier zu schätzen wissen.
Auch diese tote Bahnstrecke, an der ich schon seit Ewigkeiten entlangfuhr, machte mich nicht fröhlicher. Die Gleise waren rostig und mit Pflanzen überwuchert. Seit Jahren war hier kein Zug mehr langgefahren. Paßte ja alles wunderbar in mein Bild von Provinz.
Wahrscheinlich geriet ich gleich noch in einen Schützenzug hinein. Robert hatte mir erzählt, daß man keinen Nebenweg durchs Sauerland fahren konnte, ohne mindestens einmal hinter einem Schützenzug festzusitzen nd zu warten, bis die fröhliche Gesellschaft den Weg zur Schützenhalle gefunden hatte. Das fehlte mir jetzt noch, ’ein Magen knurrte, und ich lechzte nach einer Tasse Kaffee.
Schwungvoll steuerte ich auf einen Bahnübergang zu. Dahinter erkannte ich die Kreuzung wieder, an der ich hatte abbiegen müssen, als ich zu meinem Vorstellungsgespräch unterwegs gewesen war. »Immer nach oben, immer nach oben«, hatte Schwester Wulfhilde mir damals per Telefon eingetrichtert. Immer nach oben! Wie bei Nonnen nicht anders zu erwarten.
Auf einmal sah ich vor mir eine Schranke zucken. Hatte ich da irgendein Signal übersehen? Irgendwie muß in dem Moment mein Gehirn blockiert haben. Anstatt das Auto anzuhalten, dachte ich darüber nach, daß es hier offensichtlich doch noch eine befahrene Bahnstrecke gab. Ich gab Gas. Daß die Dinger so schnell runterkommen, hatte ich im Traum nicht gedacht. Ich mußte abrupt bremsen, wollte zurück. Zu spät. Ich stand zwischen den Schranken. Es dauerte einen Moment, bis mir meine Situation bewußt wurde. Dann überkam mich Panik. Mein Auto. Der Zug. Und vor allem: Ich! Dann nur noch ein Gedanke. Raus! Die Tür klemmte. Diese verdammte Tür. Dieses verdammte Auto. Über den Beifahrersitz. Alles war vollgepackt. Ich kam nicht von der Stelle. Rechts sah ich den Zug kommen. Ich schmiß mich mit aller Gewalt gegen die Tür. Sie gab quietschend nach, und ich fiel auf die Straße.
Auf die Beine, dachte ich panisch. Jetzt schnell auf die Beine. Ich torkelte zur Schranke und hechtete hinüber. Danach war es dunkel.
»Ich hätte nicht auf diese dusselige Anzeige antworten sollen«, hörte ich mich faseln, als ich wach wurde. »Wo bin ich hier? Im Himmel?«
»Nein, im Sauerland!« sagte jemand, der strohblond war und mich angriente. Ich schaute mich um. Ich lag auf einer Parkbank vor einem gewaltigen Kriegsmahnmal nahe einer viel befahrenen Straße. Ganz in der Nähe plätscherte ein Fluß, der von riesigen Trauerweiden gesäumt war. Dann sah ich den Bahnübergang. Ich stöhnte und erwog, ob ich
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