Ausflug ins Gruene
nicht. Ich weiß es wirklich nicht! Bruno war mir auf einmal so fremd. Er antwortete mir nicht auf meine Fragen. Die kostbaren Gegenstände, die Sie in seinem Zimmer gefunden haben, hat er von einem Besuch bei von Feldhausen mitgebracht. Ich dachte zuerst wirklich, die beiden seien irgendwo eingebrochen. Aber Bruno sagte nur, sie seien ein Geschenk. Ein Geschenk, ja, so drückte er sich aus.« Regine zitterte am ganzen Körper. Ich wußte, daß sie Ruhe brauchte. Seit dem Tod ihres Mannes hatte sie genug mitgemacht, und wahrscheinlich auch schon vorher. Nur eine Frage, eine Frage mußte ich noch stellen.
»Glauben Sie, daß Ihr Mann einen Unfall hatte? Regine, glauben Sie, daß es ein Unfall war? Oder war es«, ich schluckte, »war es Mord?«
Regine starrte mich an. Durch ihre tränenüberfluteten Augen und ihr verschmiertes Gesicht starrte sie mich an. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß gar nichts!«
21
Der Anruf vom Reiterverein hatte gerade noch gefehlt. Erstens hatte Alexa sich schon genüßlich auf den Feierabend eingestellt. Zum anderen würde ihr die Fahrt zum Gestüt ein wie immer grauenvolles Treffen mit Peter Wüstenberg bescheren, dem Kotzbrocken unter Pferdefreunden. Wüstenberg war Sohn und Alleinerbe eines großen heimischen Fabrikanten, irgendwelche Metallteile, soweit Alexa wußte. Viel Geld, arrogant bis zum Umfallen und dabei strohdoof. Das war Alexas Standardbeschreibung, wenn es um ihn ging. Alexa blickte aus dem Fenster. Ein leichter Wind strich über die Wiese zu ihrer Rechten. An dieser Stelle war es ganz flach. Alexa ging gern hier mit ihrem Hund spazieren, wenn der mal nicht bei ihren Eltern war. Hinter den Wiesen und Feldern taten sich die unvermeidlichen sauerländischen Hügel auf. Alexa fragte sich, ob Wüstenberg sich von seinen Vereinsfreunden anrufen ließ, wenn ein Pferd krank war, nur damit er da sein konnte, wenn sie den Hof betrat. Oder ob er die Krankheiten und Verletzungen zuweilen selbst inszenierte? Alexa konnte sich nicht ein einziges Mal daran erinnern, im Stall gewesen zu sein, ohne ihn getroffen zu haben. Im übrigen mußte er ständig einen Dienstplan der Tierpraxis Hasenkötter mit sich führen, da Hasenkötter selbst praktisch nie in seinen Dienstzeiten gerufen wurde. Ob er sie heute wohl wieder zu einem kleinen Mondscheinritt einladen würde, wobei sein ekelhaftes Grinsen ihr wie immer mehr verheißen sollte? Oder würde er ihr statt dessen einen netten Waldspaziergang zu zweit vorschlagen? Alexa nahm Abschied von der schönen Landschaft und bog in die Einfahrt zum Feldhausener Gut ein. Natürlich stand Wüstenbergs Wagen schon da. Natürlich stand kein anderer Wagen da. Kaum hatte sie den Wagen auf dem Hof geparkt, winselte er auch schon um die Ecke. Der bloße Anblick seines feisten Gesichts, dem das Prädikat ’verwöhntes Söhnchen’ unverrückbar eingemeißelt war, ließ Alexa die Magensäure überschwappen.
»Liebe Alexandra«, -wer hatte ihm eigentlich erlaubt, sie mit Vornamen anzureden?- »wie froh ich bin, daß Sie endlich kommen!« Alexa reichte ihm die Hand und entging nur durch eine geschickte Wendung des Kopfes einem Begrüßungsküßchen.
»Um welches Pferd geht es?« Tatendurstig schritt sie auf den Stall zu. Am besten war es, die Sachebene auch keinen Millimeter aus den Augen zu verlieren.
»Um Feuerfuchs.«
»Ist das nicht das Pferd Ihrer Frau?« Er räusperte sich.
»Ja, sie reitet es zuweilen.« Er eilte einen Schritt voraus, hielt die Tür auf und ließ es sich nicht nehmen, seine Hand an Alexas Rücken zu legen, als schaffe sie das Eintreten nicht ohne seine Hilfe. Alexa fragte sich, wie er es immer bewerkstelligte, daß er ganz alleine im Stall war, wenn sie zu einem Besuch kam. Schickte er die anderen Reiter jedesmal nach Hause? Feuerfuchs stand in der zweiten Box und wieherte nervös, als sie sich näherte.
»Keine Angst, ganz ruhig!« Sie streichelte ihm vorsichtig den Kopf, damit er sie erst einmal beäugen und beschnuppern konnte. »Dann wollen mir mal sehen!« Sie tastete das vordere Bein, das leicht geschwollen war.
»Seit wann lahmt er?«
»Seit heute mittag. Ich war mit ihm unterwegs.« Alexa konnte sich den Rest schon denken. Wüstenberg hatte das Pferd sicherlich völlig überanstrengt.
»Ich möchte es gerne laufen sehen!«
Er ließ sich nicht lange bitten. Er nahm Feuerfuchs beim Halfter und führte ihn hastig aus der Box heraus. Sie ließ die beiden zwei Runden gehen und begutachtete dann
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