Ausflug ins Gruene
hier ist nicht mehr als ein rustikales Gutshaus. Mein Vater war ein leidenschaftlicher Jäger, deshalb herrscht in den meisten Räumen, die ich unverändert gelassen habe, so eine Art Forsthausatmosphäre.« Wie zur Bestätigung schritt er mit Alexa an einem Hirschkopf vorbei, der aus einer holzvertäfelten Wand herauszuschauen schien.
»Sind Sie auch Jäger?«
»Gott bewahre, nein! Ich reite nur. Um ehrlich zu sein, spiele ich mit dem Gedanken, diesen ganzen Wildkram hier abzunehmen und alles ganz neu einzurichten.« Er öffnete eine Tür. »Das hier ist mein Arbeitszimmer. Das habe ich bereits nach meinem Geschmack gestaltet.«
Neugierig trat Alexa ins Innere. Ja, das war von Feldhausens Stil, unverkennbar. Ein Prachtexemplar von einem Sekretär und ein weiterer Schreibtisch standen in einem lässigen Winkel angeordnet vor dem gewaltigen Fenster. Links eine Sitzgruppe aus grünem Wildleder, hier und da ein Tischchen oder eine Schrankvitrine. Moderne Einrichtungsgegenstände wie die Deckenlampe harmonierten mit den prachtvollen Familienerbstücken, zu denen mit Sicherheit Sekretär und Schreibtisch gehörten. Im Vergleich wirkten Vorraum und Diele jetzt düster und schwerfällig. »Sie haben recht! So gefällt es mir viel besser.« Feldhausen lächelte und sah in seiner Reitkleidung ziemlich umwerfend aus. »Ich mache uns jetzt Tee. Setzen Sie sich doch oder schauen Sie sich um, ganz wie Sie wollen!«
Als von Feldhausen gegangen war, trat Alexa ans Bücherregal und schaute sich die Titel an. Deutsche und französische Titel reihten sich aneinander. Einige davon hatte sie sogar gelesen, vor ewigen Zeiten wie ihr schien, als sie noch nicht allabendlich todmüde ins Bett gesunken war. Einige spanische und italienische Bücher standen ebenfalls da, mit denen Alexa überhaupt gar nichts anfangen konnte. Statt dessen wandte sie sich einigen Fotos zu, die auf einem Buffetschrank standen. Feldhausen, als er jünger war, und ein anderer junger Mann, beide mit Doktorhüten, die ihnen über die schmalen Köpfe gerutscht waren. Die beiden lachten ausgelassen. Daneben ein altes Hochzeitsfoto, wahrscheinlich seine Eltern. Alexa nahm es in die Hände, um es näher betrachten zu können. Der Vater eher stämmig und mit einem humorvollen Gesichtsausdruck, die Mutter mit schlanken, edlen Zügen, dieselbe Zartheit, die Feldhausen in seinen Zügen hatte.
Die Tür wurde aufgestoßen und von Feldhausen kam mit einem Tablett herein. Er lud das Teegeschirr auf dem Couchtisch ab.
»Stöbern Sie in meiner Vergangenheit?«
Alexa lachte. »In einem kleinen Teil davon, würde ich sagen. Sie gleichen Ihrer Mutter.«
»Das stimmt. Diese verdammte Melancholie stammt von ihr.«
Alexa hob die Brauen. »Ich meinte eher die äußerliche Ähnlichkeit. Daß Sie melancholisch veranlagt sind, wußte ich nicht.«
»Ich wäre froh, das unbeschwerte Gemüt meines Vaters geerbt zu haben. Es ist nicht gerade schön, wie ein Trauerkloß zu wirken.«
»Sie übertreiben! Auf mich wirken Sie gar nicht wie ein Trauerkloß. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick.«
»Danke, immerhin etwas.«
»Haben Sie gar keine Geschwister?«
»Warum fragen Sie? Ach, weil kein Foto von strahlenden Schwestern und Brüdern zu finden ist? Ich habe einen Bruder, der ein Jahr jünger ist als ich. Er hat einen Buchverlag in Süddeutschland. Leider verstehen wir uns nicht sehr gut.« Von Feldhausen zog ein Tee-Ei aus der Kanne und füllte die Tassen. »Ich glaube, der Tee hat lange ge nug gezogen. Kann man mit Tee anstoßen?«
»Warum nicht?«
Feldhausen hob die Tasse. »Dann trinken wir darauf, daß, hm- Typen wie Wüstenberg beizeiten vom Pferd getreten werden.«
»Wohin, überlassen wir dem Pferd«, fügte Alexa hinzu, »hoffentlich ist es intelligent genug.«
Ignaz von Feldhausen lächelte wieder sein umwerfendes Lächeln.
Alexa stellte ihre Tasse hin. »Hat Wüstenberg eigentlich einen persönlichen Groll auf Sie?« Feldhausen überlegte einen Augenblick, bevor er antwortete.
»Daß ich den Reitstall an den Verein verkauft habe, hat wohl Anlaß zu Spekulationen über meine finanzielle Lage gegeben. Wüstenberg und ich sind uns noch nie sonderlich sympathisch gewesen. Da kommen ihm solche Gerüchte natürlich sehr gelegen.«
»Ehrlich gesagt hat es mich auch gewundert, daß Sie den Stall verkauft haben. Pferde sind doch Ihr ein und alles, neben der Literatur natürlich.«
»Sie haben recht. Ich liebe Pferde. Aber ich hasse den Verwaltungs- und Abrechnungskram,
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