Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
Vom Netzwerk:
herumzusuchen lief ich zielsicher in das stadtbekannte Delikatessengeschäft. Die Fahrt mit dem Einkaufswagen glich einem Rennen auf dem Nürburgring. Hemmungslos tyrannisierte ich eine Verkäuferin, bis sie sich erbarmte, mit mir die Zutatenliste durchzugehen und alles einzuladen. Zu guter Letzt besorgte ich Zutaten für einen Salat und wählte sechs Flaschen eines Weins aus, der ein Vermögen kostete. Ich packte alles in einen Karton und kam mir vor wie ein unterbezahlter Möbelschlepper, als ich mit meinem Karton den Weg nach Hause machte. Schon nach wenigen Schritten rannte ich mit meinem Paket um ein Haar Frau Dreisam um.
    »Herr Jakobs, wie geht’s Ihnen? Geht’s gut?« Ich versicherte ihr, daß ich bisher weder verhungert noch verdurstet war und außerdem noch nicht wegen ordnungswidrig gebügelter Hemden verhaftet worden war.
    »Trotzdem ist das nicht richtig«, Frau Dreisam runzelte verdächtig besorgt die Stirn und ließ ihren Blick vor allem über meine wild aussehenden Einkäufe schweifen.
    »Ich meine, Sie bräuchten wirklich eine Frau.« Ich verzichtete auf die Erklärung, daß ich nicht heiraten wollte, um jemanden für mein dreckiges Geschirr und das Putzen des Klos zu haben.
    Frau Dreisams Gesicht erhellte sich. »Ich wüßte da sogar jemanden. Wissen Sie, meine Nichte, also meinem Bruder seine Tochter, die ist auch noch ehelos. Sie arbeitet in der Stadtbücherei. Vielleicht könnte ich Sie beide ja mal zusammen zum Essen einladen.«
    »Also, das ist wirklich nicht nötig.« Ich verhaspelte mich beinah vor lauter Ausreden. »Ich will Ihnen wirklich keine Umstände machen. Außerdem habe ich im Moment selbst schrecklich viel zu tun. Wissen Sie, der Schulanfang und-«
    »Machen Sie sich keine Sorgen!«, Frau Dreisam ließ sich von ihrer Idee nicht abbringen. »Wir schaffen eine ganz gemütliche Atmosphäre.« Bei dem Gedanken, mit einer griesgrämigen Büchertussi und den Dreisams bei ganz gemütlicher Atmosphäre zusammenzusitzen, zog sich mir förmlich der Magen zu. Der Höhepunkt des Abends würde erreicht sein, wenn die Dreisams uns mit einem zwinkernden Auge versicherten, sie seien müde und wollten sich zu Bett begeben. Wir jungen Leute sollten aber auf jeden Fall noch ein bißchen sitzen bleiben.
    »Jetzt muß ich mich aber wirklich auf die Socken machen.« Ich versuchte das Thema einfach zu untergraben.
    »Ich mach das schon!«, flötete meine ehemalige Wirtin. Ihre Stimme hatte doppelt soviel Leben wie zu Beginn unseres Gesprächs.
    »Also dann, bis bald mal! Ich werd alles arrangieren.« Ich stöhnte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich stolperte weiter mit meiner Ladung. Trotz einiger quietschender Reifen und einer bei Rot überquerten Fußgängerampel kam ich wohlbehalten, aber groggy in meiner Wohnung an, um mich gleich hektisch auf das Rezept zu stürzen. Mit einem Blick auf die Uhr nahm ich wahr, daß der Countdown lief. Ich hatte vierzig Minuten zum Einkaufen benötigt, blieben also noch siebzig für alles Weitere. Im Eifer des Gefechts konnte ich kaum Rücksichten auf kulinarische Feinheiten wie »behutsames Einreiben der Medaillons mit einer Knoblauchzehe« nehmen. Eine grob zerhackte Zehe in der Sauce mußte es auch tun. Auch der Hauch von Zitrone, der dem Fleisch »anvertraut« werden sollte, wurde in einen Schuß Zitronensaftkonzentrat umgemünzt.
    Nudeln und Fleisch sollten nur zehn Minuten braten beziehungsweise kochen. Ich hatte also vorher noch Zeit, die völlig verwuselte Wohnung in einen halbwegs akzeptablen Zustand zu versetzen. »Strategisch putzen« nannte Robert das, was jetzt folgte. Es bedeutete, daß nur die Räume in eine oberflächliche Reinheit versetzt wurden, die vom Besuch auch definitiv betreten wurden. Ich staubsaugte nicht nur die Teppiche, sondern auch Holzboden und Toillettenfliesen, was zwar nicht zu einer hundertprozentigen Reinigung führte, aber zeitlich einen riesigen Vorsprung brachte. Dann wischte ich mit einem alten Handtuch über alles, was irgendwie angestaubt aussah: die Musikanlage, den Fernseher, den Eßtisch. Eßtisch. Ich überlegte, ob ich irgendwo eine Tischdecke würde auftreiben können. Warum hatte ich daran nicht eher gedacht? Ich wühlte in meinem Gedächtnis. Meines Wissens hatte ich vor einigen Jahren mehrere von meiner Mutter geschenkt bekommen.
    Ich kramte willkürlich im Kleiderschrank, wurde aber nicht fündig. Mehr Zeit konnte für das Auftreiben einer Tischdecke nicht geopfert werden. Kurzerhand klingelte ich bei Frau

Weitere Kostenlose Bücher