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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Hanschel, die unter mir wohnte und sich mehrfach erboten hatte, mir meine Wäsche zu bügeln. (Anscheinend hielten alle Frauen über fünfzig alle Männer unter vierzig für nicht fähig zu bügeln.) Frau Hanschel, die sich über eine willkommene Abwechslung in ihrem öden Alltag freute und mit mir ein Schwätzchen halten wollte, mußte auf einen der nächsten Tage vertröstet werden. Mit meiner ausdrucksstärksten Schwiegersohnmiene versuchte ich ihr klarzumachen, daß sich kurzfristig Besuch angesagt hatte und daß das zugehörige Tischzubehör fehlte. Das Ergebnis ihrer Hilfsbereitschaft war umwerfend.
    Aus ihrer Kommode zauberte sie zwei Exemplare von Tischdecken, die jede 70er Jahre-Bluse locker in den Schatten gestellt hätten. Riesengroße Blumen ließen keinen Zweifel daran, daß man zu der lebenslustigen Sorte Mensch gehörte, was durch knallrote Kerzenleuchter inklusive gelbe Kerzen, die sie mir zusätzlich in die Hand drückte, noch unterstrichen wurde. Zurück in meiner Wohnung ließ ich interne Diskussionen über Geschmacksfragen hinsichtlich dieser Beute gar nicht zu, sondern legte das Erstandene anstandslos auf. Beim Decken des Tisches wurde ich dann aber doch unsicher.
    Ich mußte feststellen, daß ich wählen mußte zwischen einerseits zwei unterschiedlichen Eßtellern und andererseits einem Set von zwei gleichen, aber blau-grün-karierten Exemplaren. Konnte es möglich sein, daß ich als zweiunddreißigjähriger Mann nicht in der Lage war, einen Gast zum Essen einzuladen, ohne mich zutiefst zu blamieren? Früher hatte ich über Leute gelacht, die in ihrer Jugend mit einer Aussteuer ausgestattet wurden. Heute wußte ich, warum ich nie geheiratet worden war:
    Ich konnte nicht einmal zwei halbwegs anständige Teller aufweisen. Verzweifelt entschied ich mich für die karierte Variante und hoffte, durch ein sehr dezentes Licht alle Mängel vertuschen zu können. Ein Blick zur Decke machte diese Idee zunichte. Eine nackte Glühbirne starrte mich an. Egal das. Entsetzt stellte ich fest, daß mir gerade noch zwanzig Minuten bis zum verabredeten Termin blieben. Ich stürzte in die Küche, warf das Fleisch in die Pfanne und die Spaghetti in den Topf und beschloß, die Minuten des Brutzelns und Kochens zu meiner eigenen Verschönerung zu nutzen. Ich schaffte noch einen Sprung unter die Dusche, ersparte mir aber die Zeit fürs Abtrocknen.
    Allerdings hatte ich nicht einkalkuliert, daß die Zeit, die ich brauchte, um den von mir vollgetropften Fußboden aufzuwischen auch nicht zu verachten war. Egal! Vergeblich suchte ich nach einem gebügelten Hemd. (Hatten vielleicht alle Frauen über fünfzig recht?). Es blieb mir nichts anderes übrig als einen Pullover über eines meiner ungebügelten Hemden zu streifen. Vorm Spiegel entschied ich, daß ich um Längen an Schönheit gewonnen hätte, wenn ich noch dazu gekommen wäre, meine Haare zu waschen. Die Stoppeln im Gesicht entschuldigte ich mit dem neuesten Trend zum Dreitagebart.
    Ein strenger Geruch aus der Küche riß mich aus meinen Betrachtungen im Badezimmer. Der Nudeltopf brubbelte wild vor sich hin, und ab und zu zischte es, wenn ein Spritzer Wasser auf die Herdplatte gelangte. Viel schlimmer stand es um das Fleisch. Es war schon deutlich angebraten, um nicht zu sagen angebrannt. Ich fluchte und wendete gleichzeitig die Medaillons. Das Fenster mußte geöffnet werden. Die Sauce, als einzige anständig geblieben, brubbelte brav vor sich hin. Mir blieb eine Minute Zeit, um Musik aufzulegen und die Kerzen anzuzünden. Schon auf dem Weg zurück mußte ich feststellen, daß das Fleisch jetzt auch auf der anderen Seite seine Farbe in Richtung Schwarz geändert hatte.
    Als ich es aus der Pfanne nahm, wurde mir der unschlagbare Vorteil dieses Gerichts klar. Die Fleischstücke wurden jetzt in die Sauce eingelegt und sollten dort noch ein paar Minuten mitbrubbeln. Wer konnte nach diesem Bad noch etwas von den leicht angeschwärzten Stellen sehen? Ich triumphierte bei diesem Gedanken, als mir die Nudeln plötzlich wieder einfielen. Die »al dente« – Phase dürfte mittlerweile verjährt sein. Tatsächlich! Die Pasta war zu einer ziemlich schlappen Truppe geworden. Ich überlegte, ob man der Heimlichkeit halber die Spaghetti nicht auch noch mit in die Sauce stopfen konnte, entschied mich aber dagegen, als es schellte. Verdammt, der Besuch war pünktlich. Ich setzte mein souveränstes und gleichzeitig charmantestes Lächeln auf, spritzte mir im Vorbeigehen noch einen

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