Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
wirst sehen. In ein paar Tagen ist Gras über die Sache gewachsen. Die brauchen Dich hier, die schmeißen Dich nicht raus. Ich sehe es doch. Der Laden funktioniert überhaupt nicht ohne Dich.“
„Woher willst Du das wissen?“
„Habe mich hier eingenistet, mein Freund. Toller Schuppen, ich beneide Dich, wirklich“.
„Du wohnst im Print Hotel? Ja, aber...“
„Nichts aber, Gunter. Du hältst schön die Klappe und besorgst mir die Menüfolge vom letzten Abend. Ich will genau wissen, was die beiden gegessen und getrunken haben.“
Gunter war gefangen. Aus der Nummer kam er nicht mehr raus, das war ihm längst klar. Er hatte einen großen Fehler gemacht, und Oskar würde ihn ausquetschen wie eine heiße Zitrone. Da war es wieder: Das Gefühl der Verachtung keimte auf, wie früher in der Schule. Da war sie, die klassische Rollenverteilung, zwischen ihm und Oskar. Schon damals diente er ihm und log für ihn bis an die äußerste Grenze. Die Lehrer hatten ihn dafür mit schlechten Noten bestraft, mit Nachsitzen und anderen Züchtigungsmethoden, doch Oskar war fein rein. Wenn er nach Schulende die Papierkörbe leerte, stand Oskar rauchend an der Bushaltestelle und machte die Mädchen an. Trotzdem war er ihm all die Jahre treu geblieben, obwohl er nichts als Verachtung kassierte, und jetzt wurde er von Oskar auch noch erpresst. Wie konnte er nur glauben, von ihm Unterstützung erwarten zu dürfen. Er war ihm unterlegen, seine Existenz stand auf dem Spiel, und so versprach er auch, die nächste Aufgabe zu erledigen.
Kapitel 15
Das Leben als alleinerziehende Mutter ist problematisch, diese Botschaft hatte Olivia schon mehrfach vernommen und achtlos überflogen, denn sie betraf sie ja nicht.
Wenn sie ihrer Lieblingsbeschäftigung beim Friseur nachging und sämtliche Frauenzeitschriften durchblätterte, fand sie tonnenweise die Erlebnisberichte und Selbstoffenbarungen alleinerziehender Mütter und tief schürfende Analysen mitteilsamer Psychologen.
Alleinerziehende Mütter wären Multitalente und Organisationsgenies, Überlebenskünstler mit unantastbarem Immunsystem und angewachsenem Schutzpanzer, auch das wusste sie bereits. Es sei für sie selbstverständlich, die Versorgung der Brut, Hausarbeit und Job koordiniert zu bewältigen. Den meisten mangele es an allem, was die Frau in der westlichen Hemisphäre so benötige. Freizeit, Unterhaltung, Geld, gesellschaftliches Ansehen, Ruhepausen, Sicherheit und vor allem Unterstützung. Seit Abschaffung der Großfamilie in Deutschland könnten die meisten Mütter von einer Großmutter oder netten Tante, die ab und an um die Ecke biegt und anpackt, nur träumen. Sie wären die Regisseurinnen ohne Verschnaufpause. Olivia reichten schon die Schlagzeilen und die fett gedruckten Bildunterschriften, um zu verstehen, wie hart und schwer dieses Leben wohl war, und es schien ihr so unattraktiv, dass sie sich zu ihrem Single-Dasein, das sie hin und wieder zwar beklagte, beglückwünschte.
Dieses einsame, aber doch romantische, friedliche Leben war schlagartig vorbei. Dank Greta erlebte sie den Gau: „Den Alltag einer berufstätigen, alleinerziehenden Mutter.“ Gemischte Gefühle durchströmten sie. Auf der einen Seite konnte sie Greta helfen, ihr etwas Trost spenden, und es war ihr ein selbstverständlicher Freundschaftsdienst. Andererseits geriet ihr Zeitbudget durcheinander, ihr Tagesablauf war plötzlich unkontrollierbar geworden.
Greta offerierte innerhalb kürzester Zeit Verhaltensweisen, die Olivia an den Rand der Belastbarkeit trieben. Unaufhaltsam tappte sie im pädagogischen Grenzgebiet umher, denn im Gegensatz zu den vielen Erwachsenen, mit denen sie gerade im Job diverse Auseinandersetzungen erfolgreich ausfocht, war Greta eine Jugendliche und von der Verständnisebene wie eine unreife Tomate. Einfach noch grün hinter den Ohren, und Olivia war es nicht gewohnt, mit unreifen Tomaten zu diskutieren. Der Umgang mit ihr war wesentlich schwieriger, weil sie Olivia geistig eben nicht immer folgen konnte oder wollte. Schon am ersten Abend googelte Olivia wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entwicklung des Gehirns bei pubertierenden Kindern. Da war dann zu lesen, dass sich die Forscher lange Zeit geirrt hatten, indem sie dachten, dass das Gehirn im Jugendalter bereits ausgereift sei. Nach eingehender Studie wusste sie nun, dass Teenagerhirne unfertige Organe sind, womit ihr auffallendes Verhalten und die heftigen Stimmungswechsel begründet wurden.
„Nur,
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