Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
voller bizarrer, unwirklich anmutender Bäume.
»Die Hurrikan-Saison ist vorbei«, rief der Pilot zwischendurch. »Zum Glück!«
Markus hatte den Fensterplatz hinten. Er war noch nie in einem Hubschrauber geflogen und fand alles höchst abenteuerlich. Überhaupt hatte sich sein Leben in ein einziges Abenteuer verwandelt, wenn man es genau bedachte.
Sie erreichten die Küste. Die Wolkendecke riss auf, und sie flogen über spielzeugklein anmutende Ölplattformen hinweg, die in den grünlich schimmernden Küstengewässern des Golfs von Mexiko dicht an dicht standen. »Diese Anlagen sind dreißig bis vierzig Jahre alt«, ließ sich der Pilot vernehmen. »Die Fördermenge nimmt immer weiter ab; die ersten Plattformen sind schon wieder demontiert worden, weil sie sich nicht mehr rentieren.«
Es ging weiter hinaus aufs Meer, immer weiter. Inzwischen waren sie schon über eine Stunde unterwegs. Die Plattformen wurden immer seltener, das Meer immer blauer, was wohl bedeutete, dass es immer tiefer wurde. Ein dünner, frostig-weißer Nebel lag über dem Wasser, und irgendwann tauchte aus diesem Nebel eine andere Plattform auf, die weitaus größer war als die bisherigen. Sie war riesig, eine Stadt aus Stahl, die auf dicken, orangefarbenen Pontons schwamm. An einer weit auskragenden Halterung brannte eine Gasfackel hell und gleichmäßig.
»Wir sind hier über dem Marlin-Feld«, rief der Pilot zur Erklärung. »Das liegt zwei Meilen unter dem Meeresgrund. Entdeckt wurde es 1993 , das Fördermaximum lag bei achtundvierzigtausend Barrel pro Tag.«
»Und heute?«, wollte Block wissen.
»Mein letzter Stand sind neununddreißigtausend Barrel pro Tag, aber das ist schon eine Weile her.«
»Hat die Plattform eigene Separatoren?«
»Ja, da unten.« Der Pilot deutete hinab, auf eine riesenhafte, kompliziert aussehende Anlage dicht über dem Meeresspiegel. »Trennt Gas, Wasser und Sand ab, und dann geht’s ab in die Pipeline zur Küste.«
Sie überflogen die Plattform, und je näher sie ihr kamen, desto größer wurde sie. Markus erkannte, dass sie in Wirklichkeit noch größer war, als sie ihm aus der Luft vorgekommen war: ein Koloss.
Er war regelrecht erschüttert, was für ein gigantischer Aufwand hinter der Versorgung mit Benzin und Heizöl verborgen lag. Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht, wenn er an der Tankstelle den Zapfhahn in den Stutzen gesteckt hatte. Und selbst wenn er sich Gedanken gemacht hätte, er wäre außer Stande gewesen, sich die gewaltige Maschinerie auch nur annähernd auszumalen, die dafür sorgte, dass tatsächlich Benzin aus dem Hahn floss, wenn er den Hebel drückte und die Zahlen an der Säule begannen, größer zu werden.
Das durfte er sich natürlich nicht anmerken lassen. Es machte sich bestimmt nicht gut, wenn der Vizepräsident einer Ölexplorationsfirma Anfängerfragen stellte. Er musste dringend ein paar Bücher zum Thema lesen, sagte er sich und wusste gleichzeitig, dass er nicht dazu kommen würde, weil er jede freie Minute mit Amy-Lee verbrachte, meistens mit Sex. Zwischendrin zogen sie durch die Stadt der Städte. Amy-Lee schien jeden zu kennen, der in New York wichtig war, wurde zu allen Partys eingeladen, war überall dabei. In den letzten paar Wochen hatte Markus mit berüchtigten Wall-Street-Haien am selben Tisch gesessen, mit Politikern angestoßen, sich mit Schauspielerinnen und Popsternchen auf Tanzflächen gedrängelt und war auf Ausstellungen angesagter Künstler gewesen, um seltsam kunstlose Bilder zu betrachten und so zu tun, als verstünde er etwas davon. Er hatte verblüfft festgestellt, dass es in diesen Kreisen praktisch selbstverständlich war, sich mithilfe von Kokain in Stimmung zu bringen, während man schief angesehen wurde, wenn man eine Zigarette rauchte. Es konnte einem passieren, dass man von jemandem, der gerade eine weiße Linie durch den Dollarschein geschnupft hatte, über die gesundheitlichen Gefahren des Tabaks belehrt wurde.
Einmal hatte er neben Robert Baldwin gepinkelt, dem berühmten Nachrichtensprecher. Das berühmte Gesicht, das jeder in den USA kannte, rötlich-aufgedunsen, hatte Baldwin ihn von der Seite angeschaut und mit schwerer Zunge gesagt: »Mein Freund, wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf – genießen Sie die Zeit mit ihr. So eine Frau finden Sie nicht wieder. Und sie wird Sie genauso schnell fallen lassen, wie sie Sie aufgegabelt hat. Glauben Sie mir.« Dann hatte er seinen Hosenschlitz wieder zugezogen und war
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