Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
er ihm, als sie draußen an der Reling standen, sich an dem kalten Metall festhielten und der Wind alle Worte hinaustrug aufs Meer. »Später werden wir im Ozean bohren müssen, da führt kein Weg daran vorbei, aber für unser Projekt hat es im Moment keinen Sinn.«
»Wieso nicht?«, fragte Markus. Er hatte das Gefühl, dass ihm der Unterkiefer wegfror; bei dem Gedanken, dass sie mit dem Hubschrauber in dem zunehmenden Unwetter den ganzen Weg auch wieder zurückfliegen mussten, wurde ihm ganz anders.
»Es hat sich einiges verändert seit meiner Zeit«, sagte Block. »Mit all den neu entdeckten Ölfeldern sieht die Karte aus wie ein Flickenteppich. Wenn wir hier Öl finden, das beeindruckt keinen Menschen. Wir müssen an Land. Auf dem Land wird nicht einmal mehr die Hälfte des Öls gefördert, das 1970 gefördert wurde. Dort wird es schwieriger, aber wenn wir dort eine neue Quelle finden, haben wir eine Sensation.«
»Werden wir denn eine finden?«
Block machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mit absoluter Sicherheit.«
Gegenwart
I m Anschluss an die Tagesschau kam eine Sonder sendung, eine Expertenrunde zum Thema »Ende des Öls?« Im Hintergrund des Studios prangte das Foto des brennenden Ölhafens Ras Tanura, das seit der Explosion wie eine Art Erkennungslogo in allen Nachrichtensendungen gezeigt wurde, wann immer diesbezügliche Meldungen verlesen wurden.
»Ich muss vorausschicken, dass wir hier eine Frage diskutieren sollen, die völlig falsch gestellt ist«, erregte sich einer der Experten gleich zu Anfang. »Was ist passiert? Ein Hafen ist unbenutzbar geworden. Der größte der Welt, zugegeben – mehr als fünf Prozent des gesamten Weltölbedarfs wurden bislang über Ras Tanura verschifft, das haben wir in den letzten Tagen ja alle gelernt –, aber eben nur ein Hafen . Am Öl selber hat sich dadurch nicht das Geringste geändert. Das fließt jetzt in die dortigen Tanklager anstatt in die Schiffe, weiter nichts.«
Der Moderator hatte zu diesen Ausführungen gewichtig genickt. »Aber Sie würden doch zustimmen«, fragte er nun nach, »wenn ich sage, dass es sich hier um einen Vorfall handelt, der zeigt, wie verletzlich die Weltwirtschaft ist, und der uns ins Bewusstsein ruft, dass die Ölreserven endlich sind. Oder sehen Sie das anders?«
»Da bringen Sie jetzt zwei Dinge durcheinander. Der Unfall zeigt, dass die Weltwirtschaft verletzlich ist – ja. Natürlich. Aber das Ende des Öls ist deswegen noch in weiter Ferne. Wir haben vielleicht gerade mal die Hälfte des Öls verbraucht, das da ist, und ich sage bewusst ›vielleicht‹.«
Ein zweiter Experte, ein bärtiger, höchst sorgenvoll dreinblickender Mann, hob mahnend den Zeigefinger. »Es wird schneller gehen, die zweite Hälfte zu verbrauchen, als es gedauert hat, die erste Hälfte zu verbrauchen. Denken Sie an Indien, denken Sie an China – zwei erwachende Industrienationen, deren Öldurst mit jedem Tag zunimmt. Was den Ölpreis weiter steigen lassen wird, das ist unausweichlich.« Er sprach mit schleppender Stimme, wie von der Last des Elends der ganzen Welt niedergedrückt. »Zudem sind die Vorräte keineswegs so sicher, wie immer getan wird. Denken Sie an Shell. Der Konzern musste im Januar 2004 die zum Ende 2002 bilanzierten Reserven um 3 , 9 Milliarden Barrel reduzieren. Das waren immerhin zwanzig Prozent der gesamten als gesichert geltenden Ölreserven des Unternehmens. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Ölkonzerne zu ähnlichen Erklärungen gezwungen sein werden.«
Der dritte Experte, der den teuersten Anzug in der Runde und eine kantige Designerbrille trug, hatte dafür nur ein herablassendes Lächeln übrig, als der Moderator ihm mit einer Handbewegung das Wort erteilte.
»Diese Neubewertung, die Sie da erwähnen, erfolgte auf Grund von Tiefseeuntersuchungen und betraf Reserven, die aus einer Reihe von Gründen, die detailliert zu erklären den Rahmen dieser Sendung sprengen würde, tatsächlich schwer zu schätzen sind. Aber«, fuhr er fort und setzte sich zurecht, »Sie irren sich auch sonst. Wir haben eine Feld-für-Feld-Analyse durchgeführt, die den ganz klaren Trend zeigt, dass wir im Laufe der nächsten fünf bis sechs Jahre eine noch nie da gewesene Zunahme der Produktionskapazitäten erleben werden; um zwanzig Prozent oder mehr.« Auf dem Schirm wurde sein Name eingeblendet und dass er ein World Energy Research Institute leitete.
»Eine Feld-für-Feld-Analyse?«, versetzte der Bärtige. »Wie wollen Sie
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