Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Nebenspalte des Wirtschaftsteils.
Internationale Energieagentur IE A kündigt Freigabe vonNotfallreserven an
Paris. Wie IE A Executive Direktor Claude Mandil bekannt gab, werden die 26 IE A -Mitgliedsstaaten auf die unterbrochene Ölversorgung aus dem Nahen Osten, hervorgerufen durch die Zerstörung des Hafens Ras Tanura, in einer gemeinsamen Aktion reagieren. Die durch das Explosionsunglück hervorgerufenen Zerstörungen stellen eine ernsthafte Unterbrechung der Versorgung gemäß den IE A -Statuten dar. Die IE A -Länder wie auch die EU -Kommission empfehlen ohne Vorbehalte, den Märkten für eine Startperiode von 10 Tagen das Äquivalent von 2 Millionen Barrel Rohöl pro Tag zur Verfügung zu stellen.
Wieder war niemand erreichbar. Abu Jabr klappte sein Telefon zu. Auf dem Fernsehschirm lief CNN , nervtötend mit all den Laufschriften und seiner hektischen Bildfolge.
Er fand es ermüdend, sich den ganzen Tag in der Klinik aufzuhalten. Andererseits zog ihn nichts nach draußen. Was er auf der Herfahrt gesehen hatte, reichte ihm bereits. An jeder Haltestelle der Straßenbahn in Frankfurt hatten riesige Plakate gehangen, auf denen sich nur mit Unterwäsche bekleidete Frauen räkelten. Und davor warteten Schulkinder! Niemand schien sich etwas dabei zu denken.
Mehrmals hatte er offensichtlich betrunkene Menschen am Straßenrand gesehen, auf Bänken liegend oder einfach am Boden. Ein ekelerregender Anblick. Und wandte man den Kopf ab, sah man Läden, die den Alkohol kistenweise zum Verkauf anboten.
Nein, er blieb lieber hier. Auch wenn die Räumlichkeiten, die man ihnen zur Verfügung gestellt hatte, eher beengt waren. Es handelte sich um zwei benachbarte Zimmer, recht komfortabel ausgestattet, aber eben jeweils nur wenige Schritte groß.
Wasimah wich nicht von der Seite ihres Kindes. Mandhur sah zwischen den Behandlungen viel fern, wobei Wasimah ihm übersetzte. Abu Jabr hatte nicht gewusst, dass sie Deutsch sprach. Es beeindruckte ihn. Sie war gebildeter, als er angenommen hatte. Vielleicht verbarg sie es sonst. Es gab viele Geistliche, die behaupteten, zu viel Bildung schade der Seele einer Frau. Abu Jabr, der selber hart um seine Schulbildung hatte ringen müssen, fand diese Auffassung verachtenswert, wusste aber, dass sie verbreiteter war, als ihm gefiel.
Wasimah war es auch gewesen, die ihn auf das Unglück aufmerksam gemacht hatte, das in Ras Tanura passiert war. Am Freitagabend, während des Abendgebetes – zum Glück, wie man sagen musste, denn andernfalls wären viele Menschen gestorben. So waren nur eine Hand voll ausländischer Arbeiter verletzt worden, die sich nicht an die zu den Gebetszeiten vorgeschriebene Arbeitsruhe gehalten hatten.
Eine Katastrophe war es trotzdem. Und man erfuhr nichts. Das Fernsehen zeigte Bilder, auf denen man nichts sah, und die Reporter berichteten immer wieder dasselbe. Deswegen versuchte er seinen Sohn zu erreichen. Da Zayd dem Ausschuss angehörte, der den König in allen Fragen rund um die Ölförderung beriet, wusste er bestimmt Genaueres. Doch wann er auch anrief, Zayd war nicht erreichbar. »Ich verstehe das nicht«, murmelte er, nachdem er es noch einmal versucht hatte. »Er kann sein Telefon doch in einer solchen Situation nicht einfach ausgeschaltet lassen.«
Da, wieder eine Aufnahme aus einem Hubschrauber. Wie das qualmte! Immer noch, nach zwei Tagen! Was war da bloß los?
Er hörte Wasimah hereinkommen. Sie setzte sich zu seinen Füßen hin, sah zu ihm hoch und sagte: »Abu, ich muss Euch etwas sagen. Ich glaube, Zayd will nicht mit Euch sprechen.«
Er sah sie verwundert an. »Was redest du da?«
Sie sah zu Boden. »Es könnte sein, dass er das Telefon, dessen Nummer Ihr kennt, weggeschlossen und sich ein neues geholt hat. Er macht das oft. Er hat eine ganze Truhe voll mit Telefonen, die er nicht mehr benutzt.«
Abu Jabr schüttelte den Kopf. »Warum sollte er das tun? Warum sollte er nicht mit mir sprechen wollen, seinem Vater?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht irre ich mich auch. Aber hat er Euch nicht schon oft angerufen und erklärt, er habe eine neue Telefonnummer?«
Abu Jabr sah seine Schwiegertochter konsterniert an. Das stimmte. Er hatte sich manchmal sogar gefragt, wie das sein konnte. Wieso Zayd andauernd Telefone kaputtgingen.
»Er hat eine Liste. Wenn er mit jemandem nicht reden will, kauft er ein neues Telefon und ruft alle anderen an, um ihnen die neue Nummer zu geben.« Von drüben hörte man den Kleinen husten. Wasimah stand wieder
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